Einige :dacapo:-Programmhefte und -informationen (Auswahl)

Sämtliche Veranstaltungen sind audio- und viedeodokumentiert (vgl. members, dacapo Archiv)
Einer wissenschaftliche DVD-Edition ist projektiert und bereits begonnen. Weitere Informationen »ahmels©uni-bremen.de«
(Bitte setzen Sie das korrekte @-Zeichen selbst in die Adresse ein, das wir hier wg. SPAM-Schutz durch © ersetzt haben)

Yoshikazu Iwamoto – Shakuchachi
Urna – Gesänge aus der Mongolischen Steppe 
Kölner Sax-Mafia  Licence to thrill 

Wolfgang Dauner – piano adventures XXV

Claudia Birkholz (Klavier) spielt Hans Otte

French Kitsch … Svoboda –Hussong–Fernow

Masa Daiko 

Ein Tag für Glenn Gould mit Herbert Henck, Harald Falkenhagen, Erik Roßbander, Lou Simard, Ingo Ahmels
Rova Saxophone Quartet

Huun Huur Tu

Margaret Leng –Tan  and the art of toypiano

Cage's Prepared Piano – Herbert Henck

Beethovens Neunte – Klaviersolofassung mit Stephan Möller

Greetje Bijma

Anouar Brahem

Josep Maria Balanyà – Pianodschungel

Simon Nabatov Quintet – Der Meister und Margarita

Luis di Matteo – Bandoneon

Juan José Chuquisengo – piano adventures XVII
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  • Iwamoto - Shakuhachi
    Japanische Bambusflöte solo
    Statt des zunächst vorgesehenen Konzertes mit Carlos Nakai präsentiert :dacapo: nun im vorletzten Konzert zur Schamanismus-Ausstellung den Tokioter Shakuhachi-Meister Yoshikazu Iwamoto, dessen Auftritte '95 und '97 im Übersee-Museum nur mit dem Wort »Zauberei« hinlänglich beschrieben sind: ein freundlicher, bescheidener Mensch im japanischen Kostüm nimmt auf der Bühne Platz, setzt ein Stück Bambusholz an die Lippen und - die Magie beginnt. Iwamotos preisgekrönte CD »Spirit of Silence«, unterstreicht die Klasse dieses exzellenten Musikers, den wir erneut im asiatischen Ambiente des 2. Lichthofes präsentieren. Die Shakuhachi ist eine Bambusflöte mit 5 Löchern, deren Mundstückkerbe nach außen zeigt. Sie kann sehr rein klingen, ist aber berühmt für ihren typischen warmen, subtil gestaltbaren, obertonreichen Klang. Der Name des Instrumentes bezieht sich auf seine Länge von etwa 55 cm: shaku ist eine altjapanische Maßeinheit, hachi heißt 8. Die Grundskala des Instrumentes lautet D F A G C, aber auch die 12 Grade der chromatischen Skala lassen sich durch Fingersätze, teilweises Abdecken der Löcher sowie Veränderung des Anblaswinkels erzeugen. Die Shakuhachi ist spätestens seit dem 17. Jh. eng mit dem japanischen Zen-Buddhismus verbunden. Yoshikazu Iwamoto (*1945) studierte das klassische Solo- und das Ensemble-Repertoire, publizierte Forschungsarbeiten über die Shakuhachi und konzertiert seit nahezu 20 Jahren weltweit. Iwamoto lehrt im Englischen York. [Wegen des begrenzten Platzangebotes bitten wir um Nutzung des Vorverkaufes.]
    Yoshikazu Iwamoto - Shakuhachi solo
    Programmheft-Text:
    
    								
     

    431. DACAPO-Konzert 
    Sonntag, 5. September 1999 &endash; 20 h im Übersee-Museum
     
    Programm
    REIBO &endash; Sehnsucht nach dem Glöckchen
    YUGURÉ &endash; Abenddämmerung
    SAN'YA &endash; Bergtal
    KUMOIJISHI &endash; Löwe über den Wolken
    YAMAGOÉ &endash; Überquerung des Berges
    MATSUKAZE &endash; Wind durch den Pinienwald
    Der Tokioter Shakuhachi-Meister Yoshikazu Iwamoto gab 1992, 1995 und 1997 drei überaus beeindruckende Vorstellungen bei :dacapo:. Der Titel Shishi auf unserer CD silent pieces, Iwamotos wunderbare CD The Spirit of Silence (von Le Monde de la Musique preisgekrönt) und seine zum Konzert erscheinende CD The Spirit of Dusk (buda records) dokumentieren die Klasse dieses Virtuosen.
    Es folgen einige Hintergrund-Informationen zum aktuellen Konzert im Übersee-Museum:
    »Die Shakuhachi ist eine Bambusflöte mit fünf Löchern, vier davon auf der Vorderseite, eines hinten. Die Mundstückkerbe zeigt nach außen. (Japan ist das einzige Land auf der Welt, in dem sich derart konstruierte Flöten finden). Ein kleines Stück Elfenbein, Horn oder Schildplatt (tsuno) wird als Schutz in die Lippe der Kerbe eingesetzt. Von innen ist die Flöte lackiert, die Bohrung läuft konisch zu und wird nach unten enger. Die moderne Shakuhachi wird für gewöhnlich aus zwei Stücken hergestellt, die eigens vom Maduke-Bambus (phyllostachys bambusoides) geschlagen und vor der Weiterverarbeitung drei Jahre gelagert werden. Der Name des Instrumentes bezieht sich auf seine Länge: shaku (alte Maßeinheit, etwa 1 Fuß), hachi (acht), sun (Zehntel eines Fußes) entsprechen etwa 54,5 cm. [...] Es gibt jedoch auch andere Größen, z.B. 70 cm (2 shaku und 3 sun). [...]
    Die Grundskala der Shakuhachi ist D F A G A C . Die zwölf Grade der chromatischen Skala lassen sich z.B. durch die Kombination von Fingersätzen, partielle Abdeckung der Löcher, vor allem aber durch die meri-kari-Technik erzeugen, bei der der Musiker den Anblaswinkel verändert. In der meri-Position wird das Kinn angezogen, um die Tonhöhe zu senken, in der kari- Position wird es nach vorne geschoben, um den Ton zu erhöhen. So lassen sich im D-Griff (alle Löcher bedeckt) die Töne E, Es, D, Cis und C erzeugen. Hierbei wird auch der Klangreichtum des Instrumentes hörbar, denn jeder Griff erzeugt eine andere Klangfarbe. Konsequenterweise erfolgt die Notation als Fingersatz-Tabulatur, die nicht bloß Tonhöhen definiert. Desweiteren gibt die Notation, wie z.B. im Falle der honkyoku-Musik [...], Iediglich den groben melodischen Verlauf vor. Sie kann keinesfalls die wesentlichen und nur vom Meister lehrbaren Feinheiten ersetzen. 
    Verschiedene Methoden wie das Bewegen des Kopfes, Atemtechniken, selten auch Zungeneffekte oder das plötzliche Zuklappen der Grifflöcher mit den Fingern erweitern die klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes. Die gebräuchlichsten Kopfbewegungen sind yuri (seitliche Bewegung zur Vibratoerzeugung) und furi (eine Von-vorne-nach-hinten-Bewegung, die die Tonhöhe verringert und dann in die Ausgangsposition zurückkehren läßt). Unter den Atemtechniken sind zu erwähnen: der mura-iki-Effekt, der durch das heftige, äußere und innere Vorbeiblasen einer großen Luftmenge am Mundstück einen eher gewalttätigen Eindruck erzeugt, der kombibuki-Effekt, bei dem eine Folge von »Blasangriffen« auf eine vorgegebene Tonhöhe unternommen wird, und der tamane-Effekt, bei dem die Luft nahe am Gaumen vorbeigedrückt wird. Das Zuklappen der Grifflöcher läßt sich lautmalerisch umschreiben mit »korokoro« oder »kororo«, was den gewünschten Effekt recht gut trifft. Portamenti und Glissandi sind ebenfalls möglich, und der Einsatz von Obertönen vergrößert schließlich den Tonumfang des Instrumentes.
    Die Shakuhachi kann vollkommen rein klingen, aber dieser Effekt ist nicht immer der gewünschte. Um es mit einer visuellen Analogie zu sagen, die der berühmte japanische Dichter Tanizuki Junichiro in seinem Buch Praise of shadows (Leete's Island Books, New Haven, Connecticut) beschrieb: »Nicht, daß wir voreingenommen wären gegen alles hell Leuchtende; doch stets geben wir dem tiefen, leicht verschleierten Schimmer den Vorzug vor äußerlichem Glitter.« Wie die meisten japanischen Instrumente hat auch die Shakuhachi ihren Ursprung in China. Die yung hsiao-Flöte aus Südchina ähnelt ihr, allerdings mit drei bemerkenswerten Unterschieden: die Kerbe ist nach innen gerichtet, es gibt sechs Grifflöcher, und die klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind nicht annähernd so komplex wie diejenigen der Shakuhachi. 
    Die altertümliche Shakuhachi hatte ebenfalls sechs Löcher und benutzte die chinesische pentatonische Skala D E G A C. Während der Heian-Periode (794&endash;1185) wurde sie im kaiserlichen gagaku-Orchester benutzt. In der Muromachi-Periode (1331&endash;1573) verschwand diese Vorform zugunsten der hitoyogiri, auf der die Löcher bereits wie auf der modernen Shakuhachi angeordnet waren. Das Instrument wurde von sogenannten komuso-Bettelmönchen gespielt, was »Reismattenpriester« bedeutet und sich auf die von ihnen verwendete Schlafmatte bezieht. Mit den komuso-Priestern starb auch der weiche und hohe Klang der hitoyogiri aus.
    Nach einer ungesicherten Überlieferung soll die moderne Shakuhachi von Anbeginn mit dem Zen verbunden gewesen sein. Der Zen-Meister Hotto-Kokushi soll fünf Jahre in China beim ch'an-Meister Mumonosho in die Lehre gegangen und angeblich im Jahre 1254 nach Japan zurückgekehrt sein. Er habe vier dosho-Spieler und das Meditations-Stück kyo-rei mitgebracht, das er in China gelernt hatte (dosho ist das japanische Wort für die chinesische yung hsiao). Sein Schüler Kikichu soll das Instrument erlernt und später zwei weitere Stücke dem Meditationsrepertoire hinzukomponiert haben: Koku und Mukai-Ji.
    Wie dem auch gewesen sein mag, kann die Verbindung von Zen und Shakuhachi erst mit Beginn des 17. Jahrhunderts sicher nachgewiesen werden, als die »Mönche der Leere und des Nichts«, die komusho-Priester auftauchten. Diese hoffnungslosen ronin (führungslose samurai, häufig ehemalige Christen, die ihre Privilegien in den blutigen Clan-Kämpfen des ausgehenden 16. Jh. verloren hatten) gründeten den Meian-Tempel in Kyoto, das Zentrum der Fukeshu-Sekte. Die Shogun-Regierung garantierte diesen blutrünstigen und rachsüchtigen Überlebenden, anstatt sie zu zerschlagen, die Sicherheit im ganzen Lande &endash; im Austausch gegen Informationen. Damals erhielt die Shakuhachi ihre moderne Form. Sie wurde durch den heute glockenförmig nach vorne gebogenen Bambusstutzen länger und breiter und erwies sich als exzellente Verteidigungswaffe [!], denn die ehemaligen Krieger konnten nicht länger zwei Schwerter tragen, wollten aber in krisengeschüttelten Zeiten umherstreifend überleben.
    Die Zahl umherziehender, flötespielender Bettelmönche nahm zu. Ikkyu, ein 1394 in Kyoto geborener buddhistischer Mönch und einer der wichtigsten Zen-Denker und -Dichter, beschreibt seine eigene Situation mit folgendem Vers:
     
    
    								
    Wohin nur soll er wandern,

    
    								
    der ungebundene Fremde, unheilvoller Landstreicher, 

    
    								
    der seine Bambusflöte auf dem Weg

    
    								
    und an den Straßenkreuzen spielt?

     
    Die Kyoto-Sekte wurde bekannt als Meian-Schule. Die Lehrer des Tokioter Zentrums nannten ihre Schule Kinko, nach dem genialen Kinko Kurosowa (1710-1770), der die 36 Stücke zusammenstellte, die das Grundrepertoire der Meditationsmusik honkyoku bilden. Noch heute existiert die Tradition, in der die Shakuhachi als Lehrinstrument des Zen betrachtet wird. Die Fuke-Sekte verstand die Shakuhachi nicht als Musikinstrument, sondem als hoki und somit als eines ihrer drei religiösen Lehrmittel. Dazu gehörten neben dem Shakuhachi-Spiel die Sitzmeditation Zazen und das Fechten. Suizen, die Meditation durch Shakuhachi-Spiel, ergänzte dabei in der Praxis verschiedener Sekten des Zazen. 
    Die Shakuhachi wurde auch beim Ritual des Almosen-Sammelns gespielt [vgl. Stück 1]. Obwohl durch einen Bombenangriff im 2.Weltkrieg die Schriften Kurosawas vollständig vernichtet wurden, so ist doch bekannt, daß er Formulierungen gebraucht hatte wie ichion jobutsu (das Erreichen von Erleuchtung durch den Gebrauch eines einzigen Klanges) und chikuzen ichinyo (die Einheit von Bambusflöte und Zen). Dadurch wird das Instrument zum zengi oder zengu, d.h. zum Werkzeug des Zen. Der zeitgenössische Meister Wahzumi Doso Roshi schrieb in einem kleinen Text mit dem Titel Der Unterschied zwischen Watazumido und der Musik: »lm Watazumido setzen wir die Flöte ein, um die Prinzipien des Watazumido auszudrücken. In erster Linie versuchen wir, durch unser Spiel diesen Prinzipien eine faßliche Gestalt zu geben. Ob dabei Klänge herauskommen oder nicht, ist reine Nebensache.« Dessen unbeschadet hat Watazumi wunderbare Aufnahmen eingespielt, ebenso wie sein Lieblingsschüler Katsuya Yokohama, der wiederum Yoshikazu Iwamotos Lehrer war.« 
    (Henri Lecomte im booklet der CD »The Spirit Of Silence«; Übers. a.d. Englischen, auch der folgenden Texte Iwamotos von Ingo Ahmels)
     
    REIBO &endash; Sehnsucht nach dem Glöckchen 
    Diese Bezeichnung kommt in vielen Titeln traditioneller Shakuhachi-Musik vor und soll an die Bettelglocke des sagenhaften Gründervaters Fuke im China des 9. Jh. erinnern, der für ungewöhnliche Taten und die Reinheit seines Charakters berühmt war. Er pflegte seine Handglocke schellend durch die Straßen zu ziehen und zu sagen: 
    
    								
    Kommt das Licht, schlage das Licht. 

    
    								
    Kommt das Dunkel, schlage das Dunkel. 

    Als Fuke seinen Tod nahen fühlte, begab er sich vor die Stadtmauern und legte sich in einen Sarg. Einen gerade vorbeiziehenden Reisenden bat er freundlich, den Deckel zuzunageln. Als diese Neuigkeit bekannt wurde, eilten die Leute zum Sarg und öffneten ihn. Der Körper war jedoch entschwunden, nur von hoch oben hörte man noch eine ganze Weile das schwächer werdende Schellen der GlockeÉ
    YUGURÉ &endash; Abenddämmerung
    Yuguré gehört zu den sehr bekannten Stücken der Kinko-Tradition, da der berühmte Shakuhachi-Meister Kinko Kurosawa es in der ersten Hälfte des 18. Jh. in seine Sammlung aufnahm. Abbenddämmerung beabsichtigt, den Zustand des beruhigten Verstandes bzw. ausgeglichenen Gemüts herbeizuführen.
    SAN'YA &endash; Drei Täler 
    San Ya existiert in neun Versionen und ist eigentlich nicht angemessen übersetzbar. Die komuso-Musiker (s.o.) versinnbildlichten in diesem Stück ihre geistige Reise in das Land des ewigen Friedens. Nicht selten benötigt die Weitergabe dieses raffinierten Stückes von Lehrer zu Schüler mehrere Jahre des Studiums, denn vielfältige technische Hürden in Fingersatz und Atemkontrolle müssen in dieser überaus subtilen Komposition gemeistert werden.
    KOMOIJISHI Löwe über den Wolken
    Man sagt, daß die komuso-Mönche dieses luftig-leichte Stück als Unterhaltung bzw. zur Entspannung während des Übens ernsthafter Stücke (honkyoku) spielten.
    YAMAGOÉ &endash; Überquerung des Berges
    Im Gegensatz zu dem unterhaltenden Stück komoijishi steht yamagoé für das ernste honkyoku-Repertoire, sozusagen die »harte Schule« des Shakuhachi-Spiels. Technisch geht es um das Stärken und Stützen des Atems und einen flüssigen Fingersatz.
    MATSAUKAZE &endash; Wind durch den Pinienwald
    Dieses Stück spiegelt die Atmosphere des hohen Nordens Japans, woher es auch stammt.
     
     Yoshikazu Iwamoto 
    wurde 1945 geboren und wuchs in Tokio auf. Das Shakuhachi-Spiel begann er mit 13 Jahren. Neben einem wissenschaftlichen Studium an der Universität lernte er das klassiche Shakuhachi-Solorepertoire vom Altmeister Baisen Onishi und studierte das Ensemblerepertoire bei Shizue Sasagawa. Zurück in Tokyo setzte er seine Studien bei Katsuya Yokohama (s.o.) fort, der ihn auch in die Techniken der zeitgenössischen Musik einführte. 1975&endash;76 unterrichtete er als artist in residence an der Wesleyan University in Connecticut (USA) und gab Konzerte in Japan und Dänemark. 1981 kam er als Mitglied der Gruppe Gunn Sapporo erstmals nach Deutschland. Von 1982&endash;90 unterrichtete er am Dartington College in Devon. 1985 war Iwamoto Solist eines japanischen Sinfonieorchesters und im folgenden Jahr beim Almeida-Festival in London, sowie bei Konzerten in Rom, Oxford und Baden-Baden zu hören. 1987 gab er 26 Vorstellungen an der English National Opera in London und bereiste im folgenden Jahr Wien, Zürich, Bern, Brüssel und Amsterdam, 1989 trat er beim »Budapest String Festival« und dem UK 2000-Festival in Tokio auf, 1991 bei der Tagung Art and the Sacred in Santa Fe, New Mexico. Iwamoto arbeitete bis 1994 an der University of York und hat gegenwärtig eine Gastprofessur für Japanische Musik an der University of Durham inne.
    ¥ CD-Neuerscheinung zum :dacapo:-Konzert
    Yoshikazu Iwamoto &endash; The Spirit Of Dusk [Buda-Records 1999]


     
    Urna Chahar-Tugchi
    Gesänge aus der Mongolischen Steppe 
    Urna Chahar-Tugchi (*1968) mongolische Sängerin aus dem Grasland des Ordos im Südwesten der Inneren Mongolei, entstammt einer Hirtenfamilie, in der sie seit ihrer Kindheit hunderte traditioneller Lieder erlernte. Von 1989- 1993 studierte sie am Konservatorium Shanghai das chinesische Hackbrett Yangqin, seit 1994 steht sie als Sängerin auf der Bühne. Konzerte in China brachten sie mit der Gruppe Gaoshan Liashui auf den Weg transkultureller Projekte und 1994 zum Jazzfestival in Beijing. Urnas Stimme umfaßt fast 4 Oktaven, ist von bestechendem Farbreichtum und absolut klarer Intonation. Auf der Bühne entfaltet sie einen umwerfendem Charme. Trotz perfekter Technik und Intonation klingt Urnas Stimme natürlich, unmittelbar und elegant, sowohl in intensiven Pianissimo-Passagen, als auch in furios- lauten melodischen »Orgien« im mongolischen Stil. Neben ihrer Arbeit als Sängerin beschäftigt sich Urna intensiv mit der Kultur ihrer Heimatregion. Ausgedehnte Reisen zum Zwecke der Sammlung und Aufzeichnung von Liedern und Gesängen führen sie immer wieder dorthin zurück. Mit Vorträgen an Schulen und Kulturzentren über Leben und Musik im Ordos versteht sie es auch in Europa, Interesse am mongolischen Grasland zu wecken. Der forscherische Umgang mit dem traditionellen Material spiegelt sich eigenen Texten und Kompositionen wieder. Ihre besondere Liebe gilt, neben dem für Europäer unvorstellbar weiten Himmel über dem mongolischen Grasland, der mongolischen Sprache und Musik. Urna Chahar-Tugchi Gesang
    Robert Zollitsch Gesang, Zither
     


     
    Kölner Saxophon Mafia 
    Licence to thrill - das neue Programm 
    Inspirationsquelle und zugleich Alibi für das aktuelle Detektiv-Programm der genialen Kölner Sax-Mafiosi sind die Inspektoren und Kommissare aus ungezählten Romanen, Film- und Fernsehserien. Für musikalische Spannung von der ersten bis zur letzten Minute garantiert auch 18 Jahre nach der Bandgründung der noch immer produktive Klangforscherdrang von Joachim Ullrich & Co., die es verstehen, die farbenreiche Klarinetten- und Saxophon-Familie auf nach wie vor brillante Art zur Geltung zu bringen. Für die »Licence to thrill«-CD gilt uneingeschränkt: Bogart-Deckel ab! - ein wirklicher musikalischer Hochgenuß, sich von den intelligenten Bearbeitungen und kompletten Um- und Ausdeutungen der Krimi-Musik-Folien in den Bann ziehen zu lassen. Welch' hinterhältiger Umgang mit dem Krimi, der das stille Einverständnis nie aufgibt… (Ulrich Kurth, WDR) … ein ebenso intelligentes wie unterhaltsames Spiel mit liebgewonnenen Klischees der Popkultur, mit literarischen, cineastischen und letzlich auch musikalischen. Was dabei entsteht, ist jedoch kein kabarettistisches Potpourri, sondern ein musikalisches Kunstwerk eigenen Rechts, das weit über die Musik hinausweist. … Wir empfehlen, bei diesem Konzert die Möglichkeit des Vorverkaufs (im Museum oder beim TSC) zu nutzen.
    Roger Hanschel, Wollie Kaiser, Steffen Schorn, Joachim Ullrich und Gerhard Veeck spielen Sopranino-, Sopran-, F-, Mezzo-, Alt-, Tenor-, Bariton- und Baßsaxophon, Es-, B-, Alt-, Kontraalt- und Kontrabaßklarinette sowie Piccolo-, Sopran-, Alt- und Baßquerflöten. Sonst nichts…
     


     
    Wolfgang Dauner
    piano adventures XXV
    Die :dacapo:-Klavier-Reihe »piano adventures« setzt in der 25. Folge kein Geringerer fort als der Schwäbische Jazzpianist Wolfgang Dauner, Gründungsmitglied des legendären »United Jazz- and Rock Orchestra«. Die Badische Zeitung meint: ob Ravel oder Minimal-Nähe, ob Gershwin oder Jazzstandards - Dauner verfügt mühelos […] über die reiche Tradition seines Instruments. Geistvoll variiert er das Ausgangsmaterial, nimmt er die Themen als Ausgangspunkt für phantaisevoll ausformierte Improvisationen. Natürlich ist Dauner auch ein »Romantiker«, favorisiert er den Schönklang. Das kommt auch in seinen eigenen Kompositionen zum Ausdruck. Doch Dauners Klavier wirkt nicht epigonal und anachronistisch (im Unterschied zu Chick Corea), sondern überzeugt durch Individualität und eine stets präsente jazzige Spannung. Die WAZ beschreibt einen Soloabend Dauners wie folgt: Ein romantischer Realist - so spielte er in Herten neben drei Préludes für Klavier des Grenzgängers George Gershwin und Kompositionen von Jazzmusikern wie Dave Holland und Miles Davis auch Stücke von Maurice Ravel - im Original, also nicht verjazzt. Welchen Einfluß gerade Ravel auf den Komponisten Dauner hat, wurde dadurch bei den eigenen Arbeiten umso unüberhörbarer. Unschwer ist hier eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen Dauner und Keith Jarrett auszumachen. […] Doch im Gegensatz zu dem Amerikaner […] gibt sich Dauner weniger verträumt, weniger introvertiert. Und er ist ungleich humorvoller…
     
    Wolfgang Dauner Klavier
     
    Sonntag 27.6. 20 Uhr
    Hans Otte »piano adventures« mit 
    Claudia Birkholz (Klavier) und Hans Otte
    [Konzert II zur Schamanismus-Ausstellung]
    Wieviele Menschen heute nach einer neuen Spiritualität suchen, ist bemerkenswert. Manche lassen sich auf der Suche nach geheimnisvollen Erfahrungen vom Schamanismus anregen und von Trommelschlägen in eine unbekannte Welt führen. Auch Hans Otte (*1926), der bedeutendste Bremer Komponist, dessen Klaviermusik wir dieses Konzert mit Claudia Janet Birkholz widmen, blieb von den Weisheiten des Ostens nicht unberührt: »Ob wir wollen oder nicht: Wir hören, wir sehen, fühlen, riechen, schmecken« »Es gibt überhaupt nichts zu sagen. Das Singen der Fichten gibt Antwort, ohne gefragt zu werden« »Je heller der Mond, umso dunkler der Schatten der Kiefer« »Der Adler, sein Sturzflug und der Hase sind eins« »Die Spuren im Schnee sind an den Pfoten des Fuchses« »Der wahre Besitzer des Gartens ist sein Gärtner« »Sieh, wie sich die Zweige neigen vor dem herannahenden Regen« »Nicht wählend, nicht wollend, hellwach, ruhig sitzend, nicht tun« »Von jetzt an wird jede Heilkunst eine Kunst sein, und jede Kunst eine Heilkunst« »Jede Frage ein Lebenszeichen«
    »Inschriften« zu Hans Ottes Klavierzyklus »Stundenbuch«
     
    •Hans Otte &endash; Face a Face (1965)
    für Tonband und Klavier
    •Hans Otte &endash; Stundenbuch
    für Klavier (1992-)
    •Inschriften, gesprochen von Hans Otte


    Sonntag, 4. Juli 1999
    French Kitsch...
    Mike Svoboda - Posaune, sämtliche Arrangements
    Stefan Hussong - Akkordeon
    Wolfgang Fernow - Kontrabaß 
     
    von Debussy, Piazolla, Gershwin, Ravel, Saint-Saens, Satie, Strawinsky u.a.
    Mike Svoboda, tmb - Stefan Hussong, akk - Wolfgang Fernow, kb Ja, es gibt sie zweifelsohne, die wirklich »schönen Melodien«, wie sie z.B. im Paris des Jahrhundertbeginns komponiert wurden. Heute, nach tausendJahren sentimentaler Filmmusik, nehmen wir sie irritiert wahr, wackelnd auf der Kippe zwi- schen Kitsch und Kunst. Sie scheinen einfach »zu schön, um wahr zu sein«.
    Doch sind sie somit für immer verloren für die Welt der E-Musik? Könnte man sie sich nicht irgendwie doch wieder »einfach auf der Zunge zergehen lassen«, ganz ohne schlechtes Kunst-Gewissen?
    Mike Svoboda macht's möglich: dabei helfen (neben einer gehörigen Prise Ironie) sein ohrenzwinkerndes Entertainer- Talent, seine excellenten Arrangements für die ausgefallene Besetzung Posaune, Akkordeon und Kontrabaß, und nicht zuletzt sein jazzgeschulter improvisatorischer Genius.
    French Kitsch - hemmungsloser musikalischer Hochgenuß, Gänsefüßchen sei dank! 
    1Le trombone français.
    Alexander Guilmant (1837-1911) »Morceau symphonique« op. 88 (1898)
    Jean-Michel Defaye (*1932) »Deux Danses« (1957)
    2French Kitsch... bei aller Liebe.
    Erik Satie (1866-1925) »Avant-dernières pensées« (1915)
    Claude Debussy (1862-1918) aus: »Children's Corner« (1906-1908)
    * Jimbo's Lullaby
    * The little Shephard
    * Golliwogg's Cakewalk
    Maurice Ravel (1875-1937) »Pavane pour une infante défunte« (1899)
    3Und andere Nettigkeiten.
    Igor Stravinsky (1882-1971) Suite aus: »L'Histoire du Soldat« (1913)
    George Gershwin (1898-1937)/Mike Svoboda (1960) »An American in Paris meets Edith Piaf«
    Astor Piazzolla (1921-1992) »Le Grand Tango« (1980)
    French Kitsch...
    
     


     Samstag 10.7. 20 Uhr
    Masa-Daiko
    Japanisches Trommelseptett aus Bremen
    [Konzert IV zur Schamanismus-Ausstellung]
    Entlang der Schamanismus-Ausstellung im Übersee-Museum präsentiert DACAPO im vierten Konzert den famosen japanischen Trommel-Feuerwerker Masakazu Nishimine und sein Septett »Masa Daiko« und stellt den Bezug zu japanisch-schamanistischen Vorstellungen her: Als vor langer Zeit auf der Erde noch die Götter herrschten, versteckte sich einmal die Sonnengöttin aus Ärger über die sinnlosen Gewalttätigkeiten ihres Bruders in einer tiefen Höhle, wodurch es auf der Erde dunkel wurde. Die Menschen versuchten mit ganzer Kraft, sie mit Tanz, Musik, Gebet und großen Trommeln wieder herauszulocken. Als sie dann tatsächlich neugierig geworden herauslugte, konnte man sie beim Schopfe packen und prompt herausziehen. Seitdem ist es wieder hell auf der Erde. Zum Dank wird in Japan wird die Daiko bei allen wichtigen Festen kräftig geschlagen. Daikos spielt man mit sehr dicken Schlägeln. Die Trommeln haben einen Durchmesser von bis zu 2,5 m. Insofern das Daiko-Trommeln Konzentration und Kraft vereint, zeigen sich Parallelen sowohl zur Zen-Meditation als auch zu den japanischen Kampfsportarten. Außerhalb Japans ist die japani- sche Trommelkunst erst seit den 80er Jahren durch Gruppen wie »Ondeko-Za« und »Kodo« bekannt geworden. Innerhalb Japans ist das Trommeln in den letzten Jahren so populär geworden, daß es dort bereits etwa 6.000 Gruppen gibt. DACAPO beendet mit Masa Daiko die Saison 98/99 und wünscht allen Musikfreunden einen sonnigen Sommer. Auf Wiederhören am 4. September mit R. Carlos Nakai!
     
     Sonntag 18.4.99
    Ein Tag für Glenn Gould 
    piano adventures XXIII
     
    mit Herbert Henck, Harald Falkenhagen,
    Erik Roßbander, Lou Simard, Ingo Ahmels
     
    •10 bis 18 Uhr im ganzen Museum 
    Glenn-Gould-Klang-Installationen und
    Glenn Gould Computer Cafe (Vortragssaal)
     
    •20 Uhr Konzertante Lesung im Lichthof 
    Telefongespräche mit Glenn Gould
    mit Herbert Henck, Klavier und
    Erik Roßbander, szenische Lesung
     
    •21 Uhr Film im Vortragssaal 
    32 short films about Glenn Gould
    François Girard, Kanada
     
    Unterstützer: Sony Classical Frankfurt, Kanadische Botschaft Bonn, Alexander-Verlag Berlin, Apple Computer München sowie Klaviere Backhaus, Re staurant Übersee, Übersee-Museum, Radio Bremen, Senator für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport, alle Bremen.
     
    Mit dem »Tag für Glenn Gould« im Bremer Übersee-Museum möchte DA CA PO zusammen mit den oben genannten Partnern eine neue Präsentationsform initiieren, die komplexere und zwanglosere Begegnungen mit Musik und Kunst er möglicht, als das z.B. die klassische Form des Konzertes zu leisten vermag. (Weitere »Tage für …« sind in Vorbereitung) 
    Im Zentrum der Bremer Präsentation des großen kanadischen Pianisten, Poeten und Me dienkünstlers Glenn Gould stehen dessen primäre künstlerische Produkte, dokumentiert auf zahllosen Medien von CD bis Video; weitausladende Vorträge über Gould stehennicht zu befürchten.
    Den Besucher(inne)n, die tagsüber das Museum aufsuchen, wird Gould an unvermuteten Ecken und eher beiläufig begegnen: Sein Hörspiel »The Idea of North« wird wie weitere Gould-Klanginstallation von Lou Simard und Ingo Ahmels durch den 1. Licht hof schweben, Bachs »Goldberg-Variationen« erklingen vielleicht aus einem Nomadenzelt, Goulds Musik-Videos sind möglicherweise im Ambiente des Japanischen Teehaus zu erleben, und dergleichen mehr.
    Die Kipling-Lounge des Übersee-Restaurants bleibt, neben der Entspannung bei Milchkaffee etc., dem modernsten Medium vorbehalten, denn hier stehen einige iMacs, mit deren Hilfe man sich nach Herzenslust auf den fantastischen Internet-Seiten des kanadischen Glenn Gould Estate tummeln kann. Hier können letzte Geheimnisse der Gould-Biographie gelüftet werden.
    Ab 20 Uhr präsentiert im 1. Lichthof der Schauspieler Erik Roßbander von der Bremer Shakespeare Company die Telefongespräche mit Glenn Gould, umrahmt von sieben Klavierkompositionen des jungen Glenn Gould, die der Pianist Herbert Henck vorträgt. 
    Den »Tag für Glenn Gould« beschließt eine Vorführung des grandiosen Filmes 32 short films about Glenn Gould des Kanadischen Filmemachers François Girard (ab ca. 21.15 Uhr im Vorführraum).
    Der Zugang zu den Gould-Installationen ist kostenfrei, nur die normale Besuchergebühr ist zu entrichten. Karten für die Abendveranstaltung (Konzert & Film) gibt's DI-SO zwischen 10 und 18 Uhr im Übersee-Museum.


     
     
    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz
    Sonntag 16. Mai 20 h
    Rova Saxophone Quartet 
    San Francisco - Radio Bremen Mitschnitt
     
    Seit seiner Gründung im Jahre 1977 gelang es den vier Musikern des Rova Saxophon-Quartetts aus San Francisco immer wieder, tonangebend musikali sches Neuland zu erkunden. Ro vas Quellen sprudeln sowohl in den popular- musikalischen Sphären Afrikas, Europas, Asiens und der Vereinigten Staaten, als auch im Post-Bop-Free-Jazz-Avantgarde-Rock, und nicht zu letzt auch in der Musik von Ives, Varèse, Messiaen, Cage und anderen. Rova hat diesen An- satz auf gut zwei Dutzend CDs dokumentiert. Weil die Quartett-Mitglieder composer-performer sind und alle auch selbst komponieren, und weil sie sich nach einem Vier teljahr hun dert des gemeinsamen Musizierens äußerst genau kennen, kommt es während der Konzerte für gewöhnlich zu einer an- und aufregenden Mischung, wie z.B. beim letzten DACAPO-Auftritt vor sechs Jahren. Das Quartett hat etwas äußerst Bemerkenswertes erreicht: die Kombination des expressiven Reichtums des Jazz-Saxophons mit der strukturellen Präzision des europäischen Streichquartetts… (The Wire, London). Gäbe es nicht dieses Quartett, wäre Kollek tiv improvisation ein verlorener Fall. Ro vas dichte Improvisationen machen mit dem Jazz, was Ives in den den Hymnen gelang, eine Art Kreuzung zwischen Bartok und Theloni ous Monk. Das sichere Rezept für einen un glaub lichen Abend (The Village Voice, New York).
     
    Rova Saxophone Quartet
    Bruce Ackley Saxophone
    Steve Adams Saxophone
    Larry Ochs Saxophone
    John Raskin Saxophone


     
    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz
    Samstag 29. Mai 20 h
    Huun Huur Tu 
    Obertongesang aus der Mongolei
     
    Zu Beginn der Schamanismus-Ausstellung im Übersee-Museum präsentiert DACAPO die mongolische Gesangs-Gruppe »Huun Tuur Hu« (Bezeichnung für ein Lichtphänomen über der Steppe), die den Tuvinischen Kehlkopf- und Obertongesang in allen Varianten meisterhaft beherrscht. Ursprünglich beabsichtigten die Gruppengründer Gebrüder Bapa lediglich, sich auf die Präsentation alter und vergessener Lieder aus ihrer zentralasiatischen Heimat zu konzentrieren, auf Gesänge, die zu bestimmten sozialen und rituellen Anlässen meist solistisch zelebriert wurden. Die Musik der Gruppe, die mittlerweile um den ganzen Globus reiste und mit vielen westlichen Musikern wie z.B. Frank Zappa oder dem Kronos-Quartet zusammenkam, klingt zwar für europäische Ohren immer noch fremdartig faszinierend, hat sich jedoch in eklektizistischer Weise von ihren Schamanistischen Wurzeln wegentwickelt, und das keineswegs zu ihrem Schaden. Wir bitten dringend um Nutzung des Kartenvorverkaufes (Di-So 10-18h im Übersee-Museum oder TSC).
     
    Kaigal-ool Khovalyg Gesang, Geige, Laute, Tschansy, Anatoli Kuular Gesang, Byzaanchi, Mundorgel, Sayan Bapa Gesang, Banjo, Gitarre Alexei Saryglar Gesang und Trommeln
     
     
     
    So 22.2.98
    Margaret Leng-Tan spielt John Cage (Radio-Bremen-Mitschnitt)
     
    Margaret Leng Tan, New York - Klavier und Performance 
    Bösendorfer- Flügel, Schoenhut-Toypiano
    Lou Simard (Gesang)
     
    									
  • Teil 1 (ca. 35')
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  • Hommage an Steve Reich
  • Toy Piano Phase für 2 Toypianolas
  • (Konzept: Margaret Leng Tan, 1997)
  •  
  • Philip Glass
  • Modern Love Waltz (1977)
  • Transskription: Margaret Leng Tan
  •  
  • Jerome Kitzke
  • The Animist Child (1994)
  • für Toypiano und Stimme
  •  
  • Julia Wolfe
  • East Broadway (1996)
  • für Toypiano und toyboombox
  • Margaret Leng Tan zugeeignet
  •  
  • Erik Satie
  • Gymnopédie No. 3 (1888)
  • für Klavier und Toypiano
  • Transskription: Margaret Leng Tan
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  • Toby Twining
  • Satie Blues (1995)
  • für Klavier und Toypiano
  • Nightmare Rag (1995)
  • für Klavier und Toypiano
  • Margaret Leng Tan zugeeignet
  •  
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  • Teil 2 (ca. 15')
  • John Cage (1912-1992)
  • 0'0'' (1962)
  • Tonaufnahmen von Elephanten-Stimmen: Mitchell Clarke
  •  
  • John Cage
  • 4'33'' (1952)
  •  
  • Mitchell Clark
  • The »Cobbling Hymn« Tune (1997)
  • für Toypiano
  •  
  • Teil 3 (ca. 55')
  • John Cage (1912-1992)
  • Four Walls (1944)
  • in 2 Akten für Klaviersolo & Stimme (Lou Simard)
  • Text: Merce Cunningham

     

    Frau Tan spielt den Konzertflügel sowie zwei Toypianos der Marke »Schoenhut & Jaymar«. Alle Stücke sind Deutsche Erstaufführungen bzw. Deutsche Toypiano- Erstaufführungen (Glass und Satie).

    DACAPOs »piano adventures«- Serie findet ihre 9. Fortsetzung in einem besonderen Klavierabend, bestritten von einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, mit besonderen Stücken, auf ganz speziellem Instrumentarium.

    Margaret Leng Tan, gebürtige Singapuresin, genießt als Pianistin international einen exzellenten Ruf, denn ihre Aufführungen asiatischer und amerikanischer Klaviermusik sprengen jegliche instrumentalen Grenzen. Ihr Performance-Stil ist radikal individuell und integriert Klang, theatrale und choreographische Elemente gleichermaßen. Der »New Yorker« huldigte der Leng Tan gar als »Avantgarde-Diva«, die New York Times würdigt sie etwas schlichter, aber dennoch im Superlativ als »überzeugendste Interpretin der Klaviermusik John Cages«. Frau Tan ist übrigens die erste Frau, die die angesehene New Yorker Juilliard School of Music mit dem Doktortitel verließ. Seit 1981 führt die Künstlerin insbesondere die Musik John Cages in Nordamerika, Europa und Asien bei zahlreichen, bisweilen illustren Gelegenheiten auf, so z.B. der Eröffnung der 45. Biennale in Venedig oder 1994 der Einweihung des New American Art Centers in Paris. 1993 erlag Frau Tan unheilbar der Faszination des Schoenhut-Toypianos, dem sie seither verfallen ist. Zahlreiche Komponisten schrieben ihr mittlerweile Werke für dieses Instrument, sie selbst transskribierte von der »Mondscheinsonate« bis zu Saties »Gymnopédie« für ihre im vergangenen Jahr erschiene CD »The Art of the Toypiano« so manches Meisterwerk. Die CD, erschienen bei Point Music/ Polygram wird zum DACAPO-Konzert in der BRD veröffentlicht. Dr. Margaret Leng Tan residiert gegenwärtig in Brooklyn, mit zwei Hunden, drei Konzertflügeln und elf ToypianosÉ

    Schoenhut's Extra Fine Upright PianosÉ verfügen über feinst gearbeitete, teilvergoldete Verkleidungen und Pressformen. Die Tasten sind Elfenbeinimitate, der Deckel schließt bündig mit der Tastatur. Diese Klaviere haben wie alle anderen Klaviere aus unserem Hause Stahlplättchen anstelle von Saiten, sind auf perfekte Konzertstimmung geeicht und können niemals verstimmen. Aus dem Schoenhut-Toy-Company-Katalog 1917 (Ü: IA)

     

    Das Klavier für jeden Geldbeutel und jeden Geschmack

    Philadelphia 1872: der deutsche Immigrant Albert Schoenhut beginnt mit der Herstellung von Toypianos in einem von ihm neu entwickelten Design. Hölzerne Hämmerchen schlagen metallische Klangstäbchen an und ersetzen die viel zu zerbrechlichen Klanggläser, die zu jener Zeit in Toypianos üblich waren. Sein neuartiges Instrument konnte rabiater kindlicher Behandlung besser standhalten, und die gamelanhafte Klangfarbe war diejenige, die wir auch heute noch von Toypianos kennen. Bis 1935 hatte die Schoenhut Company über 40 verschiedene Modelle zu Preisen von 50 Cent bis $25 produziert - »das Klavier für jeden Geldbeutel und jeden Geschmack«, wie es der Katalog von 1903 ausdrückte. Das Toypiano diente ursprünglich erzieherischen Absichten. Die teureren Modelle waren 40 bis 60 cm hoch, hatten anstelle bloß aufgemalter erhöhte schwarze Tasten, normalgroße Tasten und einen Tonumfang von zwei bis drei Oktaven. Die mitgelieferte Bedienungsanleitung lehrte ein Kind so beliebte amerikanische Melodien wie »Home Sweet Home« oder »Yankee Doodledoo«É

    Aus dem CD-Booklet »Margaret Leng Tan - The Art of the Toy Piano« (Ü: IA)

     

    Steve Reich gilt zusammen mit Philip Glass und Lamonte Young als Begründer der Minimal-Music. »Toy Piano Phase«, Leng Tans Konzept-Stück, parodiert Reichs famoses Stück »Piano Phase«, in dem zwei »richtige« Klaviere rhythmische Phasenverschiebungen durchlaufen.

    Philip Glass Teil der o.g. Minimal-Troika, ist u.a. Produzent der Leng-Tan-Toypiano-CD.

    Jerome Kitzke - The Animist Child (1994) Kitzke lebt in New York. The Animist Child sei »ein Stampfen auf den Erdboden für den Anfang des Lebens: ein Neugeborenes, das instinktiv die Seele, die allem innewohnt, umarmt. Das Stück ist Bix Windbiel gewidmet, der am 30.6.1994 geboren wurde, eine Stunde vor Vollendung meiner Komposition.«

    Julia Wolfe - East Broadway (1996) gründete mit ihren Komponistenkollegen David Lang und Michael Gordon das Bang-on-a-can-Festival in New York. »East Broadway« ist inspiriert von der frenetischen Energie der gleichnamigen Straße in Manhattans Lower East Side.

    Erik Satie(1866-1925) war und ist unerläßlich. Viele DACAPO- Aufführungen.

    Toby Twining - Satie Blues (1995)Toby Twining ist Sänger und Komponist. Über seinen Satie-Blues schreibt er: Erik Satie begegnet eines schönen Sommerabends Humphrey Bogart im Blue Cat Cafe. Satie stellt sich selber als Bogart in einer Film-noire-Szene vor und erlebt eine Midlife Crisis.

    John Cage (1912-1992) - 0'00'' (1962) für Yoko Ono and Toshi Ichiyanagi.A solo to be performed in any way by anyone. In a situation provided with maximum amplification (no feedback), perform a disciplined action. With any interruptions: Fulfilling in whole or part an obligation to others. No two performances to be of the same action, nor may that action be the performance of a 'musical' composition. No attention to be given the situation (electronic, musical, theatrical).

    John Cage - 4'33'' (1952)So etwas wie »leerer Raum« oder »leere Zeit« existiert nicht. Stets ist etwas zu sehen oder zu hören. Was immer wir auch anstellen, um völlige Stille zu erzeugen: es ist unmöglich. Klänge stellen sich ein, ob nun beabsichtigt oder nicht. John Cage in Silence (Ü: IA)

    John Cage - Four Walls (1944) Die Musik zu Four Walls entstand in New York als Partitur zum gleichnamigen Tanzstück von Merce Cunningham und kam im August 1944 in Abwesenheit seines Komponisten John Cage beim Perry-Mansfield-Workshop in Steamboat Springs, Colorado zur Aufführung. Cage bemerkte einmal, daß Four Walls von »gestörtem Verstand« handele, ohne sich näher dazu zu äußern. Obwohl das Klavierstück nicht-narrativer Natur ist, erzeugen doch die vielen Pausen und statischen Wiederholungen eine perplexe Atmosphäre, die den Hörer anregt, mentale Innenräume auszulotenÉ Zwei Jahre nach Vollendung des Werkes zog Cage ernsthaft in Betracht, das Komponieren aufzugeben und sich einer Psychoanalyse zu unterziehen, wandte sich aber stattdessen der asiatischen Philosophie und dem Zen-Buddhismus zu. Daß Cage in Four Walls nur die weißen Tasten des Klavieres benutzt, kann als Keimzelle seiner späteren Konzeptionen von Stille, Repetition und gradueller Veränderung gelten und damit als eine etwas unheimliche Antezipation der Minimal Music. Wie viele Cage-Stücke der 40er Jahre bedient sich Four Walls einer von Dauern abgeleiteten Rhythmusstruktur, basierend auf dem indischen Tala-Konzept (rhythmische Zeitzyklen). Die Pausen und Repetitionen des Stückes sind nach Cage strukturbildend. Das Stück soll daher nur in seiner Gesamtheit aufgeführt werden. Ich begann 1984 an Four Walls zu arbeiten. Das Stück war offenbar über 40 Jahre lang vollständig vergessen worden. Die erste Wiederaufführung dieses umfänglichen Werkes fand 1985 in der Asia Society in New York statt, wo ich es zu einer neu entwickelten Choreographie von Sin Cha Hong spielte. Bis zum »John Cage at Wesleyan«-Festival 1988 and der Wesleyan University in Conneticut hatte Cage nie eine Realisation seines Stückes erlebt. Die York-shire Post feierte 1989 die Britische Erstaufführung als »sensationelle Enthüllung eines Meisterwerkes«. Margaret Leng Tan (Übersetzungen: Ingo Ahmels)

     

    This space of time is organized

    We need not fear these silences, -

    we may love them.

     

    So 15.3.98

    Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie

    in der Solo-Klavierfassung von Franz Liszt, riskiert von Stephan Möller (Wien)

     

    Piano Adventures 10

    Ludwig van Beethoven (1770-1827)

  • Symphonie Nr. 9 / D Moll op. 125 (k.: 1816-24)
  • Solo-Klavierfassung von Franz Liszt (1811-1886)
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  • 1. Allegro ma non troppo un poco maestoso
  • 2. Molto vivace
  • 3. Adagio molto e cantabile
  • 4. Presto
  • Dauer: ca. 70', keine Pause
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    DACAPOs »piano adventures«-Serie im Übersee-Museum setzen wir mit einem seltenen Ereignis fort, gestaltet vom Wiener Pianisten und Beethoven-Spezialisten Stephan Möller, verfaßte für das im folgenden wiedergegebene Programmeft den Text

     

    Beethoven »überlisztet«

    Denkmal AIs im Jahre 1848 das Bonner Beethoven-Denkmal eingeweiht wurde, war dies im wesentlichen der Initiative und Förderung Franz Liszts zu verdanken. Von ihm stammte nicht nur die Idee, sondern er hatte auch durch zahlreiche Benefizkonzerte einen erheblichen finanziellen Beitrag zu diesem Monument geleistet. Liszt darf in bezug auf die Beethoven-Rezeption des 19. Jh. zwar nur als ein Beispiel unter vielen genannt werden, jedoch kam seiner Person infolge des ungeheuren Ansehens, das er in der Öffentlichkeit genoß, besondere Bedeutung zu. AIs einer der ersten nahm Liszt auch Kompositionen Beethovens in seine Programme auf. Hierbei schreckte er auch vor problematischen Werken nicht zurück; so spielte er bereits im Jahre 1836 für das (vermutlich fassungslose) Publikum eines Pariser Privatkonzerts die »Hammerklaviersonate« (Opus 106), die damals noch als unspielbar galt.

    Tradition Liszts Engagement für Beethoven kam nicht von ungefähr. Sein Klavierlehrer in jungen Jahren war Carl Czerny gewesen, der seinerseits bei Beethoven persönlich Unterricht genommen hatte. Czerny, der im Laufe seines langen Lebens noch hunderte Schüler unterrichtete, darf somit als Vater der Beethoven-Rezeption in 19. Jh. gelten. Czernys Devise für die Beethoven-Interpretation lautete jedoch: »Beim Vortrage seiner Werke (..,) darf der Spieler sich durchaus keine Änderung der Composition, keinen Zusatz, keine Abkürzung erlauben.« Dieser Grundsatz, der unserem heutigen Verständnis von »Texttreue« selbstverständlich erscheint, war im damaligen Musikleben, sei es vor oder nach Beethoven, durchaus unüblich. Überall wurde über bekannte Musikstücke präludiert, phantasiert und paraphrasiert. Diese Praxis eignete sich einerseits durchaus als kreative Vermittlung populärer Melodien, der damaligen »Greatest Hits«, unter denen sich auch Beethovensche Themen wie etwa das Adagio der »Sonate Pathétique« oder der heute vergessene »Türkische Marsch« aus der Bühnenmusik zu den »Ruinen von Athen« befanden; andererseits stand sie jedoch im diametralen Gegensatz zur Eindeutigkeit der formalen Gestalt, um welche sich Beethoven in oft jahrelangem Ringen um die Endfassung bemühte. In Franz Liszt, dem »Erzromantiker« und Individualisten par excellence, muß sich daher heftiger Widerstreit zwischen den Grundsätzen des Lehrers Czerny und dem eigenen, ungebremsten, bisweilen zügellosen Gestaltungswillen abgespielt haben.

    Das Klavier als Orchester Diesen Konflikt löste Liszt auf geniale Weise in seinen Klavierbearbeitungen der Beethovenschen Symphonien, indem er sich in diesen Übertragungen zwar streng an die originale Gestalt der Werke hielt, sie aber gleichzeitig mit Hilfe seiner souveränen Klaviertechnik schöpferisch neu entstehen ließ. In diesen Klavierfassungen knüpfte er an die Tradition an, beliebte Orchester- und Kammermusikwerke für begabte Musikliebhaber zuhause reproduzierbar zu machen - diese Aufgabe erfüllen heute die «Tonträger« Radio, Fernsehen, Schallplatte bzw. CD. Zwecks leichterer Spielbarkeit waren diese Bearbeitungen zumeist vierhändig ansgeführt - an Klavierspielern bestand damals kein Mangel. Bei Liszts Bearbeitungen verschiebt sich nun eindeutig der Schwerpunkt von der Hausmusik zur virtuosen Konzertparaphrase mit höchsten spieltechnischen Anforderungen. Schon 1833 hatte Liszt sich mittels einer Klaviertranskription der »Symphonie Fantastique« von Berlioz für diesen bahnbrechenden, aber ansonsten »mittellosen« Komponisten eingesetzt; ab 1837 fanden auch Beethovens Symphonien Eingang in Liszts Klavierabendprogramme, allen voran die Sechste Symphonie, die »Pastorale«, welche der Naturverbundenheit der Romantik besonders entgegenkam.

    Die Neunte - eine Herausforderung Beethovens Neunter Symphonie kommt innerhalb der gesamten Symphonik (nicht nur seiner eigenen) seit jeher eine Sonderrolle zu. Nicht nur bietet sie ungewöhnliche Ausmaße (immerhin die doppelte Länge einer »Durchschnittssymphonie«), sondern tritt in ihr zum ersten Male die menschliche Stimme in Gestalt von Gesangssolisten und Chor in eine bisher rein instrumentale Musikgattung ein. Noch dazu geschieht dieser Stimmeneinsatz in einer Weise, die inhaltlich wie formal auf geniale Weise vorbereitet und somit als geradezu einziger, rettender Ausweg empfunden wird, als letzte Konsequenz einer musikalischen »Handlung«. Nicht von ungefähr bezeichnete Richard Wagner das Werk als »Bankerotterklärung der Instrumentalmusik«. Gleichwohl erklärte »die Neunte« ungeachtet Ihres Erfolges schon bei der Uraufführung, durch ihre »unerhörten« Anforderungen oftmals auch den »Bankerott« der Ausführenden. Selbst der hervorragende Kapellmeister A.P. Habeneck«, der in Paris in den 30er Jahren die ersten maßstäblichen Aufführungen der Beethoven-Symphonien zustande brachte, verzichtete bei der »Neunten« trotz dreijähriger Vorbereitung und über hundert Proben noch auf das Chorfinale. Solche dreisätzigen »Rumpfaufführungen« waren noch bis ins 20. Jh. hinein üblich, vollständige Produktionen eher die Ausnahme.

    Rückzug zum »Über-Liszt« Dieses Werk also, welches seinen Interpreten das Letzte abverlangt und durch die Botschaft der Schillerschen »Ode an die Freude« (Éalle Menschen werden BrüderÉ) magische Wirkung auf die Mitmenschen ausübte und ausübt, wurde die Krönung der Lisztschen Klavierbearbeitungen. Liszt hatte im Jahre 1847 seine beispiellose Pianistenkarriere beendet, um fortan am Hofe von Weimar zu wirken - als Dirigent der Hofkapelle, als Komponist und als Lehrer einer ganzen Generation von Pianisten. Er brachte dort nicht nur die Opern Richard Wagners zu Gehör - ohne Liszts Engagement wäre Wagner vermutlich zu Lebzeiten der künstlerische Durchbruch versagt geblieben - sondern auch Beethovens Symphonien. Hierbei formte er seinen eigenen Interpretationsstil, der sich wesentlich von dem seiner Vorgänger (wie etwa Mendelssohn) unterschied. Rezensenten der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« beschreiben Liszts Aufführung »langsamer als gewohnt, aber mit überraschendem Gewinn für die Wirkung«. Nach zeitgenössischen Berichten soll auch Liszts Erstaufführung der »Hammerklaviersonate«, im Vergleich zu den heute üblichen 40 Minuten, »eine Stunde« gedauert haben (vermutlich leicht übertrieben). Andererseits verstand Liszt es offenbar, innerhalb des langsameren Tempos den Gehalt der dargestellten Werke mit Hilfe seiner außerordentlichen Suggestivkraft auf Orchester und Zuhörer zu übertragen: »Welche Studien enthielten die Proben zu den großen Musikaufführungen, welche Wunder erlebte man an Liszts Gehör, an seiner leitenden und darstellenden Hand, an der Art, wie er sich mitzutheilen, wie er zu begeistern, zu electrisiren wußte.« (P. Cornelius)

    Meisterschaft und Spielbarkeit Mit derselben Meisterschaft wie in seinen Weimarer Aufführungen ging Liszt bei der Klavierbearbeitung der Beethoven-Symphonien daran, der Ganzheit der Werke ebenso wie allen Details gerecht zu werden. Die Arbeit zog sich jedoch wesentlich länger hin als ursprünglich geplant; hatte doch Liszt schon im Jahre 1838 dem Verleger Breitkopf drei fertig arrangierte Symphonien angeboten mit der Ankündigung, die restlichen »nach und nach« zu liefern. Die Fertigstellung ließ dann bis 1864 auf sich warten, und dabei verursachte die Neunte Symphonie, insbesondere wiederum das Finale, offensichtlich die größten Schwierigkeiten. Im Jahre 1851 hatte Liszt das Werk bereits in einer Fassung für zwei Klaviere zu vier Händen bearbeitet, die wahrlich keine Wünsche offenläßt. Bei deren nochmaliger Komprimierung auf zwei Hände an einem Instrument stieß Liszt im letzten Satz offenbar an Grenzen selbst seiner Arrangierungskünste, oder er wollte die Trennung der Strukturen von Instrumental- und Vokalsatz notationstechnisch beibehalten. Letzlich rettete er sich durch eine Teillösung, welche das Orchester zwar vollständig in einen Klaviersatz von zwei Systemen zusammenfaßt, die Vokalsolisten und den Chor aber in je zwei zusätzlichen Systemen notiert. Da das Stück so nicht zweihändig ausführbar ist, muß der Pianist die Bearbeitung erst fertigstellen und alle Stimmen in größtmöglicher Vollständigkeit einarbeiten. Einige Passagen des (rein Instrumentalen) ersten Satzes sind ebenfalls in einem solchen »unfertigen« Arrangement dargestellt, welches dem Interpreten letzte Gestaltungsmöglichkeiten überläßt. Ein kleiner Rest vom improvisatorischen Ursprung dieser Transkriptionen ist so auch hier erhalten geblieben.

    Stephan Moeller wurde in Hamburg geboren, studierte Klavier bei Peter Heilbut, Kurt Seibert und Hans Leygraf sowie Dirigieren bei Gerhard Wimberger und Bernhard Conz. Von 1983-1989 war er künstlerischer Mitarbeiter Herbert von Karajans bei den Salzburger Festspielen. Der Preis im Wiener Beethoven-Wettbewerb 1985 bildete den Auftakt zu internationaler Konzertkarriere in Europa, den USA und Asien. CD-Einspielungen, Radio- und Fernsehproduktionen dokumentieren Stephan Möllers kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem traditionellen Repertoire, ebenso wie seine Freude am Entdecken von Raritäten. Schwerpunkte des Schaffens sind die Werke Beethovens, dessen 32 Klaviersonaten (mehrfache Aufführungen des Gesamtzyklus), sowie das nahezu unbekannte Klavierwerk Richard Wagners (Erstvorlage einer CD-Gesamtaufnahme). Eine besondere Attraktion sind auch Möllers Aufführungen mit dem computergestützten Bösendorfer-Konzertflügel. Auftritte auf berühmten Festivals wie den Salzburger Kulturtagen, der Stuttgarter Bachakademie, den Bremer Beethoventagen, dem Internationalen Kulturfestival Troja und dem Internationalen Musikfestival Shenyang (VR China). Neben der pianistischen Tätigkeit ist Stephan Möller auch ein gesuchter Pädagoge. Er lehrt an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Einladungen zu Meisterkursen und Vorträgen (z.B. 1995 Eastman School of Music, 1996 am Shenyang Conservatory VR China). Von 1990-1994 leitete Stephan Möller die von ihm gegründete Beethoven-Gesellschaft Bremen. Gegenwärtig ist er Vizepräsident der Internationalen Pianisten-Gesellschaft Wien (IPGW). 1996 erhielt für seine Interpretation der 32 Klaviersonaten er den »Great Artist Award« der amerikanischen Beethoven Society for Pianists. Stephan Möller war seit Gründung der Bremer Konzertgesellschaft DACAPO regelmäßig Gast in deren Konzerten, unvergessen bei der Weltpremiere Beethovens vierhändiger »Großer Fuge« op.134 in der Live-Solofassung für einen Spieler mit computergestütztem Konzertflügel am 29.1.1988 in der Bremer Glocke im Rahmen des 94. DACAPO-Konzertes.


    Sonntag 18. Januar 98 20 h

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

     

    John Cage's »prepared piano«

    piano adventures 7

     

    Cage's »prepared piano« - Herbert Henck »präpariertes Klavier«

    Die ausgezeichnete Resonanz auf die bislang sechsteilige »piano adventures« - Serie, 1996 und 1997 im Übersee-Museum vom Meisterpianisten Herbert Henck bestritten, legte nahe, die Entdeckungsreise durch die zeitgenössische Klaviermusik mit neuen Zielen fortzusetzen. Nach Henck, der im heutigen 395. DACAPO-Konzert den Anfang mit einer besonderen Spatial-Fassung (s.u.) von Cages »Sonatas & Interludes« macht, werden nun auch andere Weltklasse-Pianisten die Reihe fortsetzen und ihre Kunst mit z.T. sensationellen Programmen bei DACAPO präsentieren, unter ihnen Hans Otte (Bremen), Margaret Leng-Tan (Brooklyn), Michael Leslie (Sydney), Stephan Möller (Wien), Jay Gottlieb (Paris) und Simon Nabatov (Moskau) (Fortsetzung folgt).

    John Cages fantastische »Sonatas and Interludes« für präpariertes Klavier sind ein wohlbekannter Klassiker der zeitgenössischen Klaviermusik: unglaublich, welch' reiche, an ein balinesisches Gamelan-Orchester erinnernde Perkussions-Klänge Cages genialer Eingriff in das Innere des Konzertflügels zeitigt!

    Das 395. DACAPO-Konzert wird den Hörer gleichsam mit ins Innere des präparierten Klavieres hineinnehmen: die subtilen, unter gewöhnlichen Aufführungsbedingungen z.T. kaum voll hörbaren Klaviersounds werden mikrophonisiert und aus einem dezenten Lautsprecherkreis um das Publikum herum spatial wiedergegeben. So klar klingt's sonst nichteinmal am Platze des Pianisten, sondern bloß im Innern der »black box«

     

    John Cages »Sonatas and InterIudes«

    Arnold Schönberg sagte einmal über seinen Schüler John Cage, daß dieser weniger ein Komponist als ein Erfinder sei. Cage, dessen Vater schon Erfinder von Beruf gewesen war, erfand und entdeckte ein Leben lang neue ästhetische Zusammenhänge, als Komponist, Interpret und Musiktheoretiker, als Hörspiel- und Filmautor, als Dichter und bildender Künstler. Wie kaum ein anderer beeinflußte er die Musik unserer Zeit, indem er durch die systematische und doch undogmatische Einbeziehung des Zufalls einen grundsätzlich neuen Umgang mit allem Klingenden lehrte.

    Eines von Cages vorzüglichsten Talenten bestand denn auch darin, allen Zufälligkeiten, Umständen und Gegebenheiten geradezu lustvoll nachzugeben und vermeintliche Hindernisse zu nutzen, indem er sie in seine kompositorischen Konzepte mitaufnahm, oft an entscheidender Stelle.

    Diese Fähigkeit des schöpferischen Einbeziehens, diese Kunst, aus der Not eine Tugend zu machen, bewährte sich bereits in jungen Jahren. Als Cage 1940 (achtundzwanzigjährig) in Seattle gebeten wurde, innerhalb weniger Tage für die Tänzerin Syvilla Fort eine Bühnenmusik zu schreiben, konnte er nicht auf sein Schlagzeug-Ensemble zurückgreifen, mit dem er in jener Zeit häufig zusammenarbeitete: Der Platz des Theaters, in dem die Aufführung stattfinden sollte, war zu beschränkt für einen solchen Aufbau. Allerdings gab es einen Flügel vor der Bühne, und so beschloß Cage, diesen zu verwenden. Angeregt durch Henry Cowells Spiel direkt auf den Saiten sollte der Klavierklang jedoch verändert werden, wozu es noch einiger Experimente bedurfte. Nach unbefriedigenden Versuchen mit einem Tortenblech und Nägeln, die Cage zwischen die Saiten klemmte, erwiesen sich vor allem eiserne Holz- und Gewindeschrauben, Plastikstücke und Radiergummis als die geeigneten Materialien. Die ursprünglichen Farben der Klaviertöne verwandelten sich drastisch und ließen sich oft nicht mehr als solche wiedererkennen, je nachdem, aus welchem Material die Präparierungen bestanden und an welcher Stelle der Saiten sie angebracht waren. Gleichzeitig blieben alle Errungenschaften pianistischer Differenzierung erhalten, und in etwas modifizierter Form konnte man so virtuos auf dem Instrument musizieren wie ohne Präparierung.

    Unversehens war aus dem Klavier eine Art Schlagzeug-Ensemble geworden, mit Trommeln und Tambourinen, Gongs und Glocken, ein scheinbar kollektiv gespieltes Instrument, das dem Klang eines balinesischen Gamelan-Orchesters überraschend nahekam.

    Nach anfänglicher Komposition mit Tonreihen im Geiste Schönbergs folgte in Cages künstlerischem Werdegang eine Phase, in der er sich ausgiebig mit Werken für Schlag- und Geräuschinstrumente befaßte. Nun schloß sich als dritter Abschnitt die Komposition für präpariertes Klavier an, die bis in die frühen fünfziger Jahre andauerte.

    Das Hauptwerk aus dieser Zeit sind die »Sonatas and Interludes«, die Cage nach über zweijähriger Arbeit im März 1948 in New York beendete. Der mehr als einstündige Zyklus besteht aus sechzehn kleinen »Sonaten«, die von vier Zwischenspielen, den Interludes, symmetrisch gegliedert werden. Mit dem Titel »Sonata« knüpfte Cage wohl eher an die vorklassische zweiteilige Sonate der Italiener an; Spuren aus klassischer Zeit finden sich kaum.

    Gleichwohl ist diese Sammlung von Klavierstücken vielen Hörern weitaus zugänglicher als manch' anderes Werk von Cage, das vor und nach diesem Zyklus entstand, und heute gehören die Sonatas and Interludes zu seinen beliebtesten Kompositionen überhaupt.

    Text von Herbert Henck (Dezember 1996)

     

    Herbert Henck wurde 1948 im Hessischen Treysa geboren und lebt seit Abschluß seiner Studien als freischaffender Pianist. In Konzerten spielt er fast ausschließlich Musik des zwanzigsten Jahrhunderts, über die er auch zahlreiche Schriften veröffentlicht hat. Von 1980 bis 1985 gab er im eigenen Verlag die auf fünf Bände angelegte Jahrbuchreihe »Neuland - Ansätze zur Musik der Gegenwart« heraus, für die einhundertdreißig Autoren aus aller Welt Beiträge zur Verfügung stellten. 1994 erschien sein Buch »Experimentelle Pianistik / Improvisation. Interpretation. Komposition. Schriften zur Klaviermusik (1982 bis 1992)« in Mainz bei Schott.

    Henck nahm bisher über vierzig Schallplatten auf, darunter die beiden Teile von J. S. Bachs »Wohltemperiertem Klavier«, Klarenz Barlows »Çogluotobüsisâletmesi«, Jean Barraquès »Sonate«, die drei Klaviersonaten von Pierre Boulez, John Cages »Music of Changes«, »Cheap Imitation« und »Music for Piano 1-84«, drei Klavierzyklen von Gurdjieff/de Hartmann, Klavierwerke von J. M. Hauer, die zwei Sonaten, Klavierstücke und vier Violinsonaten von Charles E. Ives, Charles Koechlins »Les Heures Persanes«, späte Klavierwerke von Franz Liszt, Féderico Mompous »Música Callada«, Klavierwerke von Alexander Mossolow, »Das Buch der Klänge« von Hans Otte, Arnold Schönbergs Klavierwerke und Fragmente, K. Stockhausens Klavierstücke I-XI sowie Einspielungen von Werken John McGuires und Thilo Medeks. Seit 1984 veröffentlichte Henck fünf Platten mit Klavierimprovisationen; fünf weitere sind in Vorbereitung.

    DACAPO bringt demnächst die »d'c 10 - Herbert Henck - piano adventures« heraus, einen Querschnitt des (dann siebenteiligen) Klavierzyklus' mit Live-Aufnahmen aus dem Übersee-Museum Bremen. Das Buch »piano adventures. dacapo«, in das diese CD gehört, ist bereits lieferbar.

     


    Mittwoch 5. November 97 20 h

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

     

    Singing Drums

    Pierre Favre's »Singing Drums« meet Greetje Bijma

    Der holländischen Vokalistin Greetje Bijma gelang ihr internationaler Durchbruch in einem Konzert beim Jazzfest Berlin 1989, das die ARD komplett als Fernsehmitschnitt ausstrahlte. Der Down Beat bescheinigte ihrer Stimme damals eine »geradezu unmenschliche« Gestaltungskraft: »warbles and whoops, yowls and yodels«, die ohne elektronische Hilfsmittel unmöglich erzeugbar zu sein schienenÉ Den Namen Bijma liest man seitdem in vielen Jazz-, Rock-, Klassik- und Avantgarde-Zusammenhängen, u.a. mit Jasper van t'Hof, David Moss oder Louis Andriessen, und noch ganz druckfrisch: mit Pierre Favres Singing Drums, die DACAPO von ihrer ursprünglichen Tourneeroute in den Lichthof des Übersee-Museums umleiten konnte. Favres reicher Schlagzeug- und Perkussionsstil steht der Bijma'schen Stimmgewalt in nichts nach. Bei den »Singing Drums« wird er optimal unterstützt vom Perkussions-Duopartner Lucas Niggli, dem Tubisten Michel Godard und dem Klarinettisten und Saxophonisten Roberto Ottaviano.

    • Greetje Bijma Gesang
    • Pierre Favre Schlagzeug
    • Lucas Niggli Schlagzeug
    • Roberto Ottaviano Saxophon
    • Michel Godard Tuba

    Samstag 22. November 20 h

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

     

    Anouar Brahem

    Tunesische Nacht mit dem Anouar Brahem Trio

    393. DACAPO-Konzert am Samstag, den 22. November um 20 h im Übersee-Museum

    Radio-Bremen-Mitschnitt

     

    Anouar Brahem Trio

    Der weise Kalif El Outhek sagte einst über Al Mawsili, den Meister der arabischen Vokalkunst: Jedesmal, wenn er singt, habe ich den Eindruck, daß mein Königreich größer wird. Der [gewiß ebenso weise] Kritiker der FAZ bescheinigt ganz in diesem Sinne dem im 393. DACAPO-Konzert gastierenden Lautenspieler: Höre ich Brahem spielen, wächst das Königreich der Musik; wenn dieser Tunese die Ud spielt, sind die Musik-Kulturen von Ost und West versöhnt. Anoaur Brahem wurde 1957 im Zentrum der Altstadt von Tunis geboren und begann das Udspiel mit zehn Jahren. Später studierte er bei Ali Sriti am Nationalen Konservatorium die klassische arabische Musik. Der Lehrer bescheinigt seinem Schüler neidlos: Er ist der beste Lautenspieler Tunesiens. Er beherrscht meisterhaft den liebkosenden Anschlag der Saiten und Akkorde und weiß allein um ihr Geheimnis. Das scheint sich auch dem [weisen] Gründervater des Münchner Edellabels ECM vermittelt zu haben, der Brahems wunderbare CD produzierte. Die wiederum gab den Ausschlag, das arabische Trio ins Übersee-Museum einzuladen. Das Museum bietet Interessierten am Abend des Konzertes eine kleine Gratis-Führung durch die arabische Abteilung, und Radio Bremens Jazz-Redaktion schneidet das Konzert live mit. Der zunächst beabsichtigte Filmbeitrag wird aus organisatorischen Gründen jedoch nicht zu sehen sein. Um Kartenreservierung wird gebeten.

    • Anouar Brahem Ud
    • Barbaros Erköse Klarinette
    • Lassad Hosni Perkussion

    UD (von arab. al-ud, das Holz), Kurzhalslaute mit einem tiefen, aus vielen schmalen Spänen zusammengesetzten bauchigen Korpus mit Holzdecke, in der sich ein oder mehrere Schallöcher befinden. Der Ud hat einen kurzen Hals ohne Bünde, der in einem nach hinten abgewinkelten Wirbelkasten endet (KnickhalsIaute). Er wird mit einem Federkiel-Plektrum (Adlerfeder) gespielt. Das Instrument hat heute 5 doppelchörige Saiten, von denen die 3 höchsten aus Darm oder Nylon, die 2 tiefsten aus mit Kupfer umsponnener Seide bestehen. Die Stimmung wechselt je nach Gebiet, ist jedoch am häufigsten in Quarten auf G A D G C. Manche Spieler benutzen auch noch eine 6., meist auf F gestimmte Saite. Neben diesem bundlosen Ud mit 5 Doppelsaiten gibt es in Tunesien auch einen 4-saitigen mit Bünden. Der Ud entstand im Gebiet des Irak und wurde von dort aus im 6./7. Jh. nach Mekka und dann nach Medina gebracht. Er verbreitete sich schnell in allen arabisch-isIamischen Ländern und wurde bald das wichtigste Musikinstrument dieser Gebiete. Seine große Bedeutung bestand nicht nur darin, daß er das beliebteste Musikinstrument wurde, sondern daß er gleichzeitig auch als Demonstrations-Instrument der Musiktheorie, an dem das Tonsystem erklärt wurde, fungierte (dem Monochord der Griechen vergleichbar). Deshalb behandeln ihn auch alle arabischen Musiktheoretiker in ihren Traktaten besonders ausführlich. Zuerst hatte der Ud nur 4 Saiten, die 5. Saite erhielt er im 9. Jh. durch den berühmten arabischen, in Spanien wirkenden Lautenisten Ziryab, der auch das bis dahin gebräuchliche Holzplektrum durch einen Federkiel ersetzte. Später verbreitete sieh der Ud bis weit nach Zentralasien hinein und in die Gebiete südlich der Sahara. Es entwickelten sich auch in den arabischen Ländern verschieden geformte, besaitete und gestimmte Lauten, die sowohl mit als auch ohne Hünde gespielt wurden. In Europa wurde der Ud von den Arabern in Spanien eingeführt und verbreitete sich von dort aus über ganz Europa. Aus dem arabischen Namen al-'ud wurde al laud, laúd, lute, luth, liuto und Laute. (Quelle: M. Bröcker in Honnegger-Massenkeil)

     

    ARABISCH-ISLAMISCHE MUSIK ist eine Bezeichnung für die Musik des islamischen Kulturkreises mit den drei Hauptgebieten Arabien, Türkei und Persien (Iran). Unter arabischer Musik ist dagegen nur die Musik des vorislamischen Arabien (also vor 622) zu verstehen, die sich teilweise bis heute bei den Beduinen auf der arabischen Halbinsel erhalten hat. Die a.-i. M., die in den großen Städten des Islam, vom Indus bis Cordoba, in Blüte stand, wurde durch verschiedene Einflüsse, vor allem iranische, hellenistische, byzantinische, in geringerem Maße auch türkische, geprägt. Erst in neuerer Zeit kam es zu einer unterschiedlichen Entwicklung der Kunstmusik bei Arabern, Türken und Persern.

    Die arabische Musik, die nur die Lieder der Beduinen mit ihrem geringen Tonumfang und einfachen Rhythmus kannte, geriet unter den Einfluß der schon weiter entwickelten Musik der von Arabern eroberten und islamisierten Städte. Besonders stark machten sich persische Einflüsse, zumal in der Ausbildung des Tonsystems, geltend. Das griechische Altertum hingegen lieferte die theoretischen Grundlagen, auf denen im Mittelalter die islamischen Musiktheoretiker aufbauten. So bildete sich am Hof der abbasidischen Kalifen (8.-13.Jh.) eine gelehrte Musikkultur heraus, deren Schicksal mit der Entwicklung der arabisch-islamischen Kultur im Orient, im Maghreb und bis nach Andalusien verbunden war. Die Völker und Kulturgemeinschaften dieses großen islamischen Gebietes übernahmen dieses Erbe in ihre Volksmusik. Die arabisch-islamische Musik zeigt aber auch Merkmale, die für die Musik Vorder- und Zentralasiens charakteristisch sind: mündliche Überlieferung und Fehlen einer kodifizierten Notation, Homophonie, Tonartensystem nach traditionellen Mustern, wohldurchdachte Melodik und Rhythmik.

    Die der arabisch-islamische Musik eigene modale und tonale Anlage zeigt sich in der Theorie wie in der Praxis der Maqamat, melodischer Formeln, die sich nach bestimmten Grundregeln auf den Stufen eines Tetrachords oder einer Folge von Tetrachorden entwickeln. In tonaler Hinsicht ist die Musik dadurch gekennzeichnet, daß sie neben der diatonischen und chromatischen auch eine Tonleiter mit Dreivierteltönen verwendet. Die Musiktheoretiker des Mittelalter unterschieden, unter Berücksichtigung der verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten, mehr als 300 Maqamat, von denen heute noch etwa 30 bekannt sind und von denen 12 ständig verwendet werden. [É] Einige Maqamat finden sich, wenn auch zuweilen unter anderen Bezeichnungen, im Maghreb wieder, doch wird dort im allgemeinen die diatonische Tonleiter bevorzugt.

    Mehr noch als die Maqamat sind die als »Ika« bezeichneten Rhythmen wesentliche Elemente der arabisch-islamischen Musik. Im Unterschied zu den Maqamat, die persische Namen haben, sind die Bezeichnungen für die »Ika« arabischen Ursprungs. Die »Ika« geben der Melodie ein metrisches Gerüst durch die Bildung gleich langer Perioden, die durch abwechselnd gleichmäßiges oder ungleichmäßiges, dumpfes oder helles (dum und tak) Stampfen oder Schlagen hervorgehoben werden. Der asymmetrische Rhythmus ist für die arabisch-islamische Musik typisch, z. B. der A'aradsch (hinkend; türkisch: aksak), bei dem der letzte Ton der 2. Rhythmusgruppe verkürzt wird, um den Wiederanschluß an die 1. Gruppe zu gewinnen .

    Die als arabisch bezeichneten Instrumente gehören größtenteils dem geographischen und kulturellen Bereich des Islam an. Sie finden sich unter verschiedenen Namen in allen islamischen Ländern wieder. Von ihnen sind hauptsächlich drei (davon zwei Saiteninstrumente, der Ud und der Kanun, sowie ein Blasinstrument, der Nay) eng mit der traditionellen Musik verbunden. Bei Schlaginstrumenten gilt dies für die Darabukka und den Duff.

    Im 9. Jh. brachten orientalische Sänger und Musiker Theorie und Praxis der Musik, wie sie auch am Hofe der Abbasiden geübt wurde, ins Maghreb und nach Spanien, womit der Grundstein für die arabisch-islamische Musik gelegt wurde. Sie zeichnet sich vor allem durch die Ausformung einer Muwaschschah genannten literarisch-musikalischen Gattung aus, bei der mannigfaltige Metren und Rhythmen miteinander abwechseln. In verschiedensten Formen ist der Muwaschschah noch heute die wichtigste musikalische Form im Maghreb.

    Nach ihrer Blütezeit blieb der Wirkungskreis der arabisch-islamischen Musik beschränkt, und sie verschmolz in der osmanischen Zeit mit der sog. türkischen Musik. Ihr Wiederaufleben in neuerer Zeit brachte Theorie und Praxis sowohl der vokalen als auch der instrumentalen klassischen Traditionen wieder zu Ehren, und zwar durch die Meister der Ghina und durch die Virtuosen, die mit dem Taksim, einer Art von instrumentaler Improvisation, das alte Erbe der Abbasiden-Zeit wieder aufleben ließen. Ägypten war Hauptzentrum dieser Renaissance, während der Irak ein eigenes Maqam-System pflegte.

    In ihrer Kontinuität echter sind die verschiedenen Ausprägungen der Volksmusik in der arabisch-islamischen Welt. Die Volksmusik, die sich der lokalen Mundarten bedient, stützt sich auf eine Schlüsselfigur der arabischen Folklore: den Scha'ir, der Dichter, Komponist und Sänger in einer Person ist. Er ist der Bewahrer der mündlich überlieferten, anonymen und uralten Tradition. Hinsichtlich ihrer Anlage stimmt die Volksmusik der arabisch-islamischen Länder mit den Vorbildern ihrer klassischen Zeit in grundlegenden Merkmalen überein: sie ist melodisch und homophon. Allerdings unterscheidet sich die Homophonie von der Mehrstimmigkeit der früheren Kunstmusik: sie kennt zwar auch ein Tonartensystem und den Gebrauch der diatonischen Leiter, ist aber nicht, wie in der klassischen Zeit, an bestimmte Regeln gebunden. Zum anderen verwendet die Volksmusik Instrumente, die im traditionellen Orchester der arabisch-islamischen Kunstmusik nicht zu finden sind .

    (Quelle: S. Jargy in Honnegger-Massenkeil)


    Sonntag 2. Dezember 97 20 h

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

     

    Kölner Saxophon Mafia

    Kölner Saxophon Mafia - Place for Lovers

    393. DACAPO-Konzert

    Ach ja, die LiebeÉ Von der Kontra-Alt-Klarinette bis zur Piccolo-Flöte, vom Sopranino- bis zum Baßsaxophon knutschen die fünf mittlerweile berühmten Kölner mit dem ironischen Bandnamen so ziemlich alles, was ihnen vor die Lippen kommt. Die selbsternannten Sax-Mafiosi, denen nach eigenem Bekunden Jazzpraxis und Europäisches Formbewußtsein seit immerhin 15 Jahren als tragende Säulen dienen, wollen in ihrem neuen Programm die Liebe in ihren Facetten ausloten und sich, Gott sei's gedankt, dabei selbst treu bleiben. Die Herren Ullrich & Co. über das aktuelle Liebeskonzept: Wer kennt sie nicht, die Plätze, die mit sehr persönlichen Erinnerungen behaftet sind? Romantische first dates, und aber auch die eher handfesten Erlebnisse und Orte, an denen nicht der musikalische Weichzeichner, sondern die kantig-klare Kontur den wahren Ton trifft. Die neue CD Place For Lovers, die natürlich rechtzeitig zu Tourbeginn vorliegen soll, wird übrigens das Kind Nummer zehn, zur Welt gebracht natürlich auf JHM, dem Label des Kölner Jazzhauses. Wer die Saxophon-Mafia kennt, weiß, daß ihr neuerlicher Brancheneintrag unter adventures in saxophone music im besten Sinne deutbar ist, und es nach all' den Jahren immer noch zum Vergnügen gereicht, diese bravourösen Musiker live zu erleben. Alte Hörner rosten nicht.

    • Roger Hanschel Saxophone
    • Wollie Kaiser Saxophone
    • Steffen Schorn Saxophone
    • Joachim Ullrich Saxophone
    • Gerhard Veeck Saxophone

     


    Samstag 11. Oktober 97 20 h

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

     

    Simon Nabatov Quintet

    Simon Nabatov Quintet

    Der Meister und Margarita

    Unsere Teufelsnacht bezieht sich auf Bulgakovs Roman »Der Meister und Margarita«: Unglaubliche Dinge geschehen im Moskau der 30er Jahre. Berlioz und Besdomny diskutieren an einem Frühlingsabend über die Nichtexistenz Christi. In ihr Gespräch mischt sich ein Fremder, der beiläufig erwähnt, daß er nicht nur mit Immanuel Kant gefrühstückt habe, sondern auch beim 2. Verhör Jesu durch Pontius Pilatus zugegen gewesen seiÉ Der Teufel selbst ist es, der so den Auftakt zu phantastischen Ereignissen gibt.

    Kein Geringerer als Simon Nabatov (*1959 in Moskau) hat nun eine Suite nach dem surrealistischen Roman komponiert, zu deren musikalischer Umsetzung er vier erstrangige New Yorker Musiker mit ins Übersee-Museum bringen wird. Nabatov hat sich inzwischen zu einem der weltbesten Jazzpianisten entwickelt, dem es infolge seiner Ausbildung am Moskauer Konservatorium, der New Yorker Julliard School sowie durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Ray Anderson, Arthur Blythe, Steve Lacy, Perry Robinson u.v.a. gelingt, Klassik und Jazz auf geniale Weise zu verbinden.

    Im Anschluß an das 390. DACAPO-Konzert besteht die Möglichkeit, den Abend themengetreu kulinarisch und filmisch in der Kipling-Lounge des Restaurant Übersee fortzusetzen.

    • Simon Nabatov Klavier
    • Mark Feldman Violine
    • Herb Robertson Trompete/Flügelhorn
    • Drew Gress Kontrabaß
    • Tom Rainey Schlagzeug

     

    Der Programmzettel zum Konzert enthielt eine kleine Inhaltsangabe des Bulgakov-Romanes; Ziffern und Überschriften bezeichnen die Sätze der Nabatov-Komposition.

    1 Don't talk to strangers

    Ein Frühlingsabend bei Sonnenuntergang auf dem Patriarchenteich-Boulevard in Moskau. Berlioz, der Vorsitzende der Literaturgessellschaft, und Ivan Besdomny [russ.: »ohne Haus«], ein junger Dichter, führen ein Gespräch über Ivans Auftragspoem, das die Nichtexistenz Jesu Christi beweisen soll. Ein merkwürdiger Fremder mischt sich in das Gespräch ein: er habe mit Immanuel Kant gefrühstückt und sei persönlich beim 2. Verhör Jesu durch Pilatus zugegen gewesen; Professor Voland, so heißt der Fremde, teilt weiter mit, daß Berlioz noch am selben Abend geköpft werde. Der arme Besdomny schaut hilflos und entsetzt zu, wie Straßenbahnräder die Prophezeiung Volands vollziehen.

    2 Some Restaurant

    Das Gartenrestaurant im Gribojedow-Haus. Hier ist die MASSOLIT (Literatur für Massen) zu Hause. Die Mitglieder dieser Organisation haben es gut: ein prächtiges Gebäude mit entsprechender Atmosphäre und vorzüglicher Küche. Hier treffen sich Priviligierte! Heute soll eine Sitzung stattfinden. Zwölf Schriftsteller warten auf ihren Vorsitzenden Berlioz, der seltsamerweise verspätet zu sein scheint. Die Versammlung wird allmählich unruhig, als ein Gespenst erscheint: der völlig verwirrte Besdomny, barfuß, im Nachthemd, mit Papierkone auf dem Kopf und brennender Kerze in der Hand. VerzweifeIt unternimmt er den vergeblichen Versuch, den Kollegen zu erklären, was mit Berlioz passiert ist. Er schreit und randaliert schließlich und wird von der herbeigerufenen Miliz abgeführt.

    3 As Diagnosed

    In der berühmten psychiatrischen Klinik nahe bei Moskau wird der gefesselte Besdomny vom Psych-iater Strawinski befragt. lvan versucht dem Arzt zu erklären, daß Voland zu allem fähig sei und sicherlich mit dem Bösen im Bunde stehe; es müsse dringend etwas unternommen werden. Der Arzt ist jedoch der Meinung, der Dichter solle lieber ein Paar Tage in seiner Klinik ausspannenÉ Nach einer hitzigen Diskussion versucht Ivan zu fliehen, wird aber von Sanitätern festgehalten und mit einer Spritze ins Reich der Träume befördert..

    4 One Of Four

    Im Palast des Prokurators von Judäa, Pontius Pilatus. Heute ist ein schlechter Tag. Pilatus plagen Kopfschmerzen, und gleich soll er über das Todesurteil eines beschuldigten Galiläers namens Jeschua befinden. Von Pilatus mit dem Vorfwurf konfrontiert, die Leute zur Zerstörung des Großen Tempels angestiftet zu haben, antwortet Jeschua: »Diese guten Menschen haben nichts begriffen und bringen alles durcheinander, was ich gesagt habe. Ich fange an zu befürchten, daß diese Verwirrung noch sehr lange Zeit währen wird.« Der Prokurator spürt die innere Kraft dieses Mannes, der ihn von seinem Kopfschmerz befreit. Jeschua wird ihm sympathisch, und er versucht ihn zu retten. Am Pessachfest kann nach den ortsüblichen Gesetzen nämlich einer der (diesmal vier) Delinquenten begnadigt werden, doch der zuständige Hohepriester Kaifas begnadigt anstelle des »verrückten Philosophen« Jeschua lieber den Massenmörder Raw-Wan. Pilatus ist schließlich wieder allein mit seinen Kopfschmerzen und dem Bewußtsein, an einem Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.

    5 The Master

    Die Klinik. Besdomny sitzt in seinem Zimmer und sinniert. Die Medikamente wirken. Nichts bringt ihn mehr aus dem Gleichgewicht, nicht einmal die geheimnisvolle Gestalt, die nächtens auf seinem Balkon erscheint. Der Unbekannte nennt sich »Meister«, ist Schriftsteller und ebenfalls Patient. Als der Meister erfährt, was Ivan zustieß, gerät er in helle Aufregung: Volands Bericht über Pontius Pilatus und Jeshua stammt aus seiner eigenen Feder! Er hatte es ja geahnt und kann Ivan nur bestätigen, es mit Satan persönlich zu tun gehabt zu haben; Ivan habe zudem Glück gehabt, so glimpflich davon gekommen zu sein. Der Meister erzählt darauf Ivan seine eigene Geschichte: von Haus aus Historiker habe er einsam und monoton vor sich hingelebt, bis er eines Tages 100 000 Rubel im Lotto gewann. Er beschloß, zwei Zimmer im Keller eines Gartenhauses zu mieten, um dort seinen Roman über Pontius Pilatus zu verfassen. Er habe die Atmosphäre dieser winzigen Wohnung geliebt, das Feuer im Ofen, die Bäume vorm Fenster, den knirschenden Schnee. »Ach, es war eine glorreiche Zeit!«; er habe unentwegt schreiben können.

    6 The Show

    Der große Schwarzmagier Prof. Voland und seine Truppe präsentieren ihre Show im ausverkauften Variete-Theater. Der Abend beginnt harmlos, aber immer unglaublichere Magie-Tricks versetzen das Publikum ins Staunen. Als schließlich der Haus-Conferencier Bengalski dem Publikum klar zu machen versucht, es könne keine echte Magie geben, wird Voland ärgerlich. Einer seiner Assistenten trennt in Gestalt eines fetten Katers dem armen Bengalski den Kopf vom Leib - und setzt ihn erst nach lautem Protest des erschrockenen Publikums wieder auf. Um die Zuschauer auf andere Gedanken zu bringen, inszenieren die Assistenten ein echtes Damenatelier auf der Bühne. Jede Frau darf das neueste Modell der Pariser Mode aussuchen und mit nach Hause nehmen. Die Stimmung steigt. Später läßt Voland noch 10-Rubel-Scheine regnen, doch nach der Show laufen die Frauen halbnackt auf der Straße, da die Pariser Mode plötzlich wieder verschwindet, und die Geldscheine entpuppen sich als bloße Flaschenetiketten

    7 The Last Days

    Stickig-heißer Nachmittag auf dem Schädelberg. Die Hinrichtung ist im Gange. Zweitausend Schaulustige sind versammelt, um das grausame Geschen zu verfolgen. Abseits wacht unter verzweifelten Selbstvorwürfen Levi Mathäus. Die letzte Zeit hatten er und Jeshua stets gemeinsam verbracht, doch vorgestern wollte Jeschua unbedingt allein nach Jerschalaim. Warum, warum nur hatte er ihn allein ziehen lassen? Nun muß er zuschauen, wie Jeschua von Fliegen und Bremsen übersät am Pfahl dahinstirbt. Erst 15 Stunden später zeigt der Henker Gnade und tötet die drei Verurteilten mit seinem Speer. Wenig später befinden sich nur noch zwei Leichname an den Pfählen: Levi und Jeschuas Körper sind verschwunden.

    8 Margarita

    In der Klinik nahe Moskau. Der Meister setzt seine Geschichte fort: der Frühling sei gekommen, die Natur wieder erwacht, und sein Pilatus-Roman beinahe beendet gewesen. Bei einem Spaziergang auf der Tweskaja habe er sie, seine große Liebe, unter tausenden von Leuten sofort gesehen: »Die Liebe sprang uns an, wie einen ein Mörder in der Gasse anspringt, und sie traf uns beide mitten ins Herz.«

    9 Big Decision

    Margarita sinniert auf einer Bank vor der Kremlmauer. Wie nur kann sie den verschwundenen Meister retten? Nach Beendigung seines Romans hatte der Meister versucht, sein Werk zu veröffentlichen, was jedoch durch die sadistische Kampagne eines beamteten Literaturkritikers verhindert wurde und ihm die Verhaftung und Einweisung in die Klinik eintrug. Seinen Roman hatte der Meister aus Verzweiflung verbrannt. Plötzlich erscheint vor Margarita Asasello, einer von Volands teuflischen Assistenten, und schlägt ihr in dessen Auftrag ein Geschäft vor. Er beweist Margarita, daß er über alle Details Bescheid wisse, und auch, wo der verschwundene Meister sei. Sie müsse sich nur bereitfinden, Ballkönigin beim großen Frühlings-Ball Volands zu sein; danach könne ihr der Wunsch gewährt werden, den geliebten Meister wiederzusehen. Margarita stimmt zu, reibt sich mit der Zaubercreme Asasellos ein und verwandelt sich flugs in eine Hexe, die auf dem Besen über das nächtliche Moskau saust. Sie blickt hinunter auf ihr Haus und ihre vertraute Umgebung; Traurigkeit ergreift ihr Herz, aber nun ist sie unsichtbar und frei und muß weiterfliegen, zum Ball des Satans

    10 The Ball-Back Home

    In der Gemeinschaftswohnung Nr. 50 im Zentrum Moskaus mittlerweile zuhause, veranstaltet Voland dort den Frühlings-Vollmondball. Tausende von Kerzen leuchten, Johann Strauß persönlich dirigiert das Orchester. Um Mitternacht erscheinen aus dem Kamin Gäste, eine nicht-enden-wollende, makabere Prozession verstorbener Krimineller. Jeden Gast muß die nackte Ballkönigin Margarita freundlich begrüßen, mit ein paar netten Floskeln bedenken und sich von ihm auf's Knie küssen lassenÉ

    Nach dieser Ball-Tortur ist es endlich soweit. Voland hält sein Versprechen. Der Meister ist bei Margarita, und sogar die verbrannten Manuskripte seines Romans sind wieder wie neu vorhanden. Voland fragt die beiden, wie es mit ihnen nun weitergehen solle. Margarita möchte Hexe bleiben und den Meister überreden, in diese magische Welt mitzukommen. Aber der Meister will, daß nur »alles so wird wie vor einem Jahr.« Und tatsächlich: die Liebenden finden sich im Kelleratelier des Meisters wieder, er auf dem Sofa schlafend, sie die Seiten des Romans zärtlich streichelnd. »Leise weinte sie vor Glück...«

    Text von Simon Nabatov, bearbeitet von :dacapo:


    Samstag 19. Oktober 97 20 h

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

     

    Yoshikazu Iwamoto - Shakuhachi

    Shakuhachi Solo

    Yoshikazu Iwamoto

    » ... das ist Zauberei«, war die einhellige Meinung nach dem Konzert, in dem der Tokioter Shakuhachi-Meister Yoshikazu Iwamoto Ende 1995 den vollbesetzten 1. Lichthof des Museums ins hörende Staunen versetzte. Der Titel Shishi unserer members-only-CD »silent pieces« sowie Iwamotos CD »The Spirit of Silence«, von der »Le Monde de la Musique« mit der höchsten Auszeichnung versehen, beweisen die Klasse dieses exzellenten Musikers, den wir diesmal im 2. Lichthof des Museums im japanischen Amiente präsentieren möchten.

    Die Shakuhachi ist eine Bambusflöte mit fünf Löchern, deren Mundstückkerbe nach außen zeigt. Sie kann sehr rein klingen, ist aber berühmt für ihren typischen warmen, subtil gestaltbaren, obertonreichen Klang. Der Name des Instrumentes bezieht sich auf seine Länge von etwa 55 cm: shaku ist eine altjapanische Maßeinheit, und hachi bedeutet acht. Die Grundskala des Instrumentes lautet D F A G A C, aber auch die zwölf Grade der chromatischen Skala lassen sich durch Fingersätze, nur teilweises Abdecken der Löcher sowie Veränderung des Anblaswinkels erzeugen. Die Shakuhachi ist spätestens seit dem 17. Jh. eng mit dem japanischen Zen-Buddhismus verbunden. Yoshikazu Iwamoto (* 1945) studierte das klassische Solo-Repertoire bei Baisen Onishi, das Ensemble-Repertoire bei Shizue Sasagawa. Er publizierte grundlegende Forschungsarbeiten über die Shakuhachi und konzertiert seit nahezu 20 Jahren weltweit. Iwamoto lehrt im Englischen York. Wegen des begrenzten Platzangebotes bitten wir um baldige Voranmeldung.

     

     

    Das 400. DACAPO-Konzert

    SO 19.4.98 um 20 h im Übersee-Museum Bremen

     

    piano adventures XII - souvenir al fresco Stefan Hussong , Akkordeon

    spielt John Cage und Girolamo Frescobaldi

    • John Cage
    • Dream (1948) - attacca:
    •  
    • Girolamo Frescobaldi
    • Canzon Settima detta La Tarditti
    • Capriccio Cromatico con
    • Ligature al Contrario
    • Canzon Sesta detta La Pesenti
    •  
    • John Cage
    • In a landscape (1948) - attacca:
    •  
    • Girolamo Frescobaldi
    • Capriccio di Durezze
    • Capriccio sopra La Bassa Fiamenga
    •  
    •  
    • John Cage
    • Two3 # 5 (1991)
    • Version für Akkordeon und
    • Seemuschel
    •  
    •  
    • Girolamo Frescobaldi
    • Toccata Cromaticha
    • Canzona detta La Paulini
    •  
    • John Cage
    • Souvenir (1983)

     

    Am Sonntag, dem 19. April 1998 kann das 400. DACAPO-Konzert zelebriert werden. In einem pointierten Programm der »piano adventures«- Serie stellt der bei DACAPO und anderswo in der weiten Welt bestens bekannte Meister-Akkordeonist Stefan Hussong aus Trossingen elf wunderbare Musiken von John Cage (1912-1992) und Girolamo Frescobaldi (1583-1643) vor. Überraschend, wie nah sich die zeitliche Ferne zwischen beiden Komponisten ausmacht! Mit diesem Konzert wird auch der Begriff »piano adventures« anders akzentuiert, denn das Akkordeon ist ja schließlich auch ein Klavier - und was für eines!

    Das Akkordeon verwendet als Tonerzeugungsprinzip die sogenannten »durchschlagenden« oder freischwingenden Metallzungen, in Europa zuerst von Michael Praetorius (1571-1621) in der Schrift »Syntagma Musicum« (1619, Bd.2) beschrieben. Der Mozart-Zeitgenosse Abbé Vogler (1749-1814, eigentlich, Georg Joseph Vogler) baute 1792 in Frankfurt ein derartiges »Register« in eine Orgel ein. Bis dahin war das Prinzip nur als Anreißen einer Zunge bekannt (z.B. im »Regal«, wahrscheinlich erstmalig 1372). Vogler montierte dieses »Register« als Stimmzunge aufgehängt in eine Orgelpfeife. Die klangliche Wirkung war wie diejenige des heutigen Akkordeons, nur daß bei letzterem durch den sogenannten Balg die Luftzufuhr individuell noch sehr viel feiner gestaltet werden kann; selbst der Luftstrom wird unhörbar. Das Prinzip der durch Luftzufuhr in Schwingung versetzte Metallplättchen (»durchschlagende Metallzunge«) stammt aus China und läßt sich bis etwa 2700 v. Chr. zurückverfolgen. Dort wurde es in einem Blasinstrument namens »Sheng« (japanisch »Sho«) benutzt. Dieses Instrument kam entweder über Marco Polo im 13. Jahrhundert, oder aber durch die Tartaren über Rußland im Zuge der Völkerwanderung nach Mitteleuropa.

    Die heutzutage verwendeten Instrumente besitzen neben einer Klaviatur für die rechte Hand (Tonumfang fünfeinhalb Oktaven, E bis c''''') zusätzlich 3-4 Knopfreihen mit chromatischen Einzeltönen für die linke Hand (sogenanntes »Einzeltonmanual«, fünfeinhalb Oktaven Kontra-E bis g'''). Sie sind daher im Prinzip einem zweimanualigen Tasteninstrument (z.B. dem zweimanualigen Cembalo) vergleichbar, hinsichtlich der Erzeugung und Beeinflussung des Tones jedoch eher einem Blasinstrument. Das bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannte Einzeltonmanual für die linke Hand ermöglicht ein tonhöhenrichtiges Spiel beider Hände [im Gegensatz zum wesentlich populäreren Standard-Baßmanual (Tonumfang: eine Septim plus Akkordkopplungen), das dem Akkordeon zu seinem etwas zwielichtigen Image als »Volksmusikinstrument« verholfen hat].

    Durch das tonhöhenrichtige Spiel sind Übertragungen nicht ursprünglich für das Instrument geschriebener Kompositionen ohne Bearbeitung oder Eingriff in den Notentext möglich.

    Aufgrund der zunehmenden Präsenz dieses Instrumententyps wurden und werden seit etwa 1927 und verstärkt in den letzten Jahren zeitgenössische Komponisten (z.B. P. Hindemith, Isang Yun, Sofia Gubaidulina, Mauricio Kagel) dazu angeregt, originale Werke für das Akkordeon zu schreiben.

    Die Vorzüge eines Blasinstrumentes, in Verbindung mit den Möglichkeiten eines zweimanualigen Tasteninstrumentes, das außerordentlich große dynamische und klangliche Spektrum sowie schließlich die dem Bogen eines Streichinstrumentes vergleichbaren Charakteristiken der Balgführung machen das Akkordeon zu einem enorm faszinierenden und neuen Instrument des 20. Jahrhunderts. ( nach Stefan Hussong)

     

    Girolamo Frescobaldi

    Italien brachte im Frühbarock den ersten großen Instrumentalisten hervor, der wie Monteverdi in der Vokalmusik, auf dem Instrument den neuen, affektgeladenen Ausdrucksstil verwirklichte: Girolamo Frescobaldi (geboren 1583 in Ferrara, gestorben 1643 in Rom), lernte bei Dom-Komponist Luzzaschi (venezianische Tradition) und war ab 1613 Organist an Sankt Peter zu Rom. Die Titel seiner Werke zeigen noch die venezianischen Gattungen. [É] Toccaten sind kurze Vorspiele (Intonazioni, mit oder ohne Choral) oder größere selbständige Gebilde (oft zur Wandlung, alla levazione). C. Merulo schrieb noch einheitliche Toccaten mit präludienhaft-freien und ricercarartig gebundenen Teilen, Frescobaldi erweiterte sie hingegen zu vielgliedrigen, affektgeladenen Gebilden voller Gegensätze [É] Frescobaldi forderte über eine gehobene Technik hinaus ein ausdrucksvolles Spiel mit ideenreicher Registrierung (wechselchörig, konzertant) und tempo rubato, nach Seelenlage [É] [Seine] Fantasien, Ricercare, Canzonen und Caprichios erschienen wie gewohnt fugiert, verwendeten aber bereits nur noch ein Thema wie die spätere Fuge [É]. Als Haupt- und Spätwerk Frescobaldis erschienen die Fiori musicali (1635), sowie Orgel- und Cembalosätze [É]. nach dtv Atlas der Musik, Bd. 2

    Anarchic Harmony

    John Cage kam 1946 durch den Besuch einer Vorlesungsreihe des angesehenen Buddhismus-Lehrers Daisets Taitaro Suzuki an der Columbia University in Kontakt zur japanischen Philosophie-Traditionen, insbesondere zum Zen, was ihn veranlaßte, sein Leben nachhaltig zu verändern - mit weitreichenden Folgen für sein künstlerisches Gesamtkonzept. Die Musikgeschichte verdankt Cage und seiner bedingungslosen Hinwendung zur konzeptuellen Betrachtung von Kunst und Leben wesentliche Impulse: den Einbezug von Zufallsoperationen, Absichtslosigkeit als Haltung des Komponisten, Indeterminiertheit im Kompositions- und Aufführungsprozeß sowie die entgrenzende Ausweitung des musikalischen Materials durch Einbezug von Stille (silence, Abwesenheit von Klang) als Gestaltungsparameter.

    1990 begann in Darmstadt infolge der Bitte der berühmten Sho-Spielerin Mayumi Miyatas an Cage, ihr ein Stück zu schreiben, dessen erster intensiverer Kontakt zu freischwingenden Metallzungen-Instrumenten. [É] Cage war so berührt von dem wunderschönen Klang dieses Instrumentes, daß er bis zum seinem Tode 1992 für seine Serie der number pieces drei größere Werke für Sho schrieb (One9, Two3 und Two4). Cages insgesamt 47 Zahlenstücke (seit 1987) dürfen als die Summe seiner kompositorischen Erfindungen gelten. Die Zahlen geben einfach die Anzahl der Spieler und ihren fortlaufenden Index innerhalb der Serie an (»Two3« für Sho und wassergefüllte Conch-Muschel ist demzufolge das dritte der Stücke für zwei Instrumente). [É] Ich selbst kam in Kontakt mit Cages vielen Werken für (nicht näher definierte) Tasteninstrumente, als ich gemeinsam mit dem Londoner Geiger Irvine Arditti sein Gesamtwerk für Violine und Tasteninstrumente auf CD einspielte. [Vgl. 341. DACAPO-Konzert]. Cage, der bereits angefangen hatte, mit Frau Miyata zu arbeiten, war sehr angetan von der Idee, der Violine ein weiteres free reed instrument als Keyboard-Partner zuzugesellen. Sein Konzept der Unbestimmheit galt sehr häufig auch für die Instrumentation. So war das Werk »Dream« zunächst für Klavier, dann für Viola solo, dann für Viola-Ensemble und schließlich für Orgel vorgesehen. »In a Landscape«, geschrieben für Klavier oder Harfe, kann ganz wunderbar auf dem Akkordeon gespielt werden, indem man eines der beiden fast identischen Manuale als eine Art Pedal-Contoller verwendet; eine einzelne Melodielinie des anderen Manuals kann gedoppelt werden, wodurch sich interessante Obertonreibungen und Akkorde ergeben. Auch das Stück »Souvenir« (1983), Auftragswerk der amerikanischen Organisten-Gilde, die unbedingt ein Stück im Stile von »Dream« haben wollte, wurde später für Klavier umarrangiert. [É] »Seven Harmonies« für Tasteninstrument (auch: für Violine und Tasteninstrument, für Streichquartett, Bläserquartett usw.) ist ein Ausschnitt aus den insgesamt 44 »Harmonies« des Stückes »Appartment House 1776«, von Cage 1976 zur amerikanischen Zweihundertjahrfeier komponiert. Cage verwendete Originallieder aus dem New England des Jahres 1776, reduzierte und atomisierte aber deren Harmonik dermaßen, daß die Hierarchie ihrer traditionellen Harmonik - bis auf den Gedanken von Harmonik - komplett aufgehoben wurde: es entstand eine Anarchische Harmonie von Klängen ohne jede hierarchische Beziehung zueinander, bloß durch Stille (silence) miteinander verbundenÉ nach Stefan Hussong, Übertragung a.d. Engl.: Ingo Ahmels

    Stefan Hussong wurde 1962 in Kölerbach/Saar geboren. Studien bei Eugen Ischanun, Hugo Noth, Joseph Macerollo und Mayumi Miyata an den Universitäten in Trossingen, Toronto, Tokyo (Geitutsu Daigaku), war Stipendiat der Deutschen Studienstiftung, des D.A.A.D. und der Kunststiftung Baden-Württemberg, sowie erster Preisträger des Hugo-Herrmann-Wettbewerbes 1983 und des International Gaudeamus lnterpreters Competition für zeitgenössische Musik 1987. Enge Zusammenarbeit mit zahlreichen Komponisten (z.B. Gubaidulina, K. Huber, Hosokawa, Hölszky). Stefan Hussong produzuierte bereits zahlreiche CD-Einspielungen für Thorofon, Wergo,DENON, Koch-Schwann, u.a. mit Werken von K. Huber, N. A. Huber, J. Cage, M. Lindberg, T. Hosokawa, A. Hölszky, J. S. Bach, J. P. Sweelinck u.a.. Er trat in Konzerten und bei Rundfunkaufnahmen in ganz Europa, Korea, in Übersee und Japan auf. Als Kammermusikpartner von Irvine Arditti, Julius Berger und Miklos Perenyi nahm er das Gesamtwerk John Cages für Violine und Tasteninstrumente sowie Gubaidulinas Kompositionen für Cello und Akkordeon CD auf. Er konzertierte als Solist mit dem Orchestre de la Suisse Romande, Tokyo Harmonia Chamber-Orchestra, Ensemble Diagonal u.a. 1989 war er Gastdozent der Sibelius-Akademie in Helsinki, seit 1990 ist er Dozent für Akkordeon und Kammermusik am Konservatorium Würzburg und seit 1993 Professor bei der Internationalen Sommerakademie des Mozarteums zu Salzburg.

     Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

    Dienstag 22. Sep. 20 h

    Bobo Stenson Trio

    piano adventures XV

     

    :dacapo: setzt an den Anfang der Konzertsaison 98/99 in Fortsetzung der äußerst spannenden Begegnung mit Weltklasse-Pianisten wie Herbert Henck, Margaret Leng-Tan oder Michael Leslie weitere »Klavierabenteuer«: Seit drei Jahrzehnten zählt der schwedische Pianist Bobo Stenson zu den profiliertesten Musikern der europäischen Jazzlandschaft. Sein Name ist wie der des Drummers Jon Christensen (Norwegen) eng mit der ersten Stunde des Münchener ECM-Labels verbunden, für das z. B. auch die Arbeit etwa Jan Garbareks und Keith Jarretts ebenso stilbildend war und ist. Stensons jüngste CD-Veröffentlichung Reflections ist die zweite Einspielung unter eigenem Namen. Begeistert rühmte die internationale Kritik die lyrische Dichte und rhythmische Spannung sowie die Harmonie im Zusammenspiel der Musiker: Stenson verbindet in seinem Spiel bruchlos lyrischen mit abstrakten Charakter. [...] Jormin setzt voluminöse Akzente mit vibrierenden Baßtönen in den sich ausbreitenden Raum. Ein Höchstmaß an Spannung und Dichte erfährt die Musik durch Christensens unvergleichliches, feinfühliges Schlagzeug. Er erzählt mit seinem Instrument. Die Tondichtungen erlangen die pulsierende Intensität und Flexibilität, die maximale Freiheit in der Konversation der Musiker erlaubt. [...] »Reflections« reflektiert spirituelle Qualitäten der Musiker, ohne die ein derart nachhaltiges Musizieren nicht möglich wäre.

     

     

    Bobo Stenson Klavier

    Anders Jormin Bass

    Jon Christensen Schlagzeug

     

     

     

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

    Mittwoch 7. Okt. 20 h

    Balanyàs jungla del piano

    piano adventures XVI

     

    Jungla del piano - ein Klavier-Dschungel? Was zeigt das amüsante Foto: Publikum pustet in Schläuche? Ganz recht, denn es handelt sich hierbei um den ersten, teilweise interaktiven piano adventures-Klavierabend, gestaltet vom katalanischen Pianisten und Komponisten Josep Maria Balanyà. Das Publikum wird mit einem der beiden Konzertflügel über viele lianenhafte Schläuche verbunden sein. Dadurch kann es bei Balanyàs Komposition »Ultramarinos 451« eine aktive Rolle übernehmen. Bläst man nämlich in die Schläuche hinein, so löst der Atem im präparierten Klavier vielfältige Klänge aus. Balanyà gelingt es mit dieser »Versuchsanordnung« auf poetische Weise, zumindest für die Dauer seines Stückes die strikte Rollenteilung zwischen Publikum und Künstler aufzuheben und kreativ nutzbar zu machen. Eine bemerkenswerte Idee.

    Der in Barcelona lebende Josep Maria Balanyà musizierte z.B. über viele Jahre im Klavier-Duo mit dem Pianisten Joachim Kühn und war im vergangenen Jahr Musik-Stipendiat der Barkenhoff-Stiftung in Worpswede.

    »Balanyà benutzt nicht nur die Tasten und Pedale des Flügels, sondern erzeugt mit Gläsern, Rohren, Holzstücken, Ping-Pong-Bällen, Ketten und bisweilen auch mit elektronischen Mitteln neue Töne und Klänge. Dabei lächelt er oft mephistophelisch; Instrument und Musiker scheinen zu einem neuen Wesen zu verschmelzen, um die nächste Überraschung vorzubereiten...«, beobachtete die Presse.

     

    Josep Maria Balanyà - Klavier, Komposition

    In Kooperation mit dem Instituto Cervantes

     

     

     

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

    Samstag 17. Okt. 20 h

    Luis di Matteo

    Bandoneon

     

    Im Jahre 1835 erfand Heinrich Band, ein Akkordeonbauer aus Krefeld, das Bandoneon. Um die Jahrhundertwende gelangte das Instrument nach Buenos Aires und Montevideo. In den 30er und 40er Jahren erreichte die Tango-Welle in Südamerika einen Höhepunkt, und seit den 80er Jahren tauchen der Tango und das Bandoneon regelmäßig und mit interessanten zeitgenössischen Entwicklungen im Musikleben auf. Mit der Tango-Renaissance verbinden sich Namen wie Saluzzi, Mossalini, Rivero, Piazolla und Luis Di Matteo, alle bereits in :dacapo:-Konzerten zu hören. 1962, zu einer Zeit, in der man hierzulande noch nichts von einer Tango-Renaissance merken konnte, gründete Di Matteo seine erste Band. Er nahm in Südamerika 5 LPs auf und kam 1980 erstmals zu einer Spanientournee nach Europa. 1983 gastierte er in der BRD und nahm 1985 die LPs Tango Contemporaneo und Le dernier Tango beim Bremer Label JARO auf. Luis di Matteo suchte seinen musikalischen Weg konsequent im Grenzbereich zwischen »E« und »U«. In seiner Musik sind die Wurzeln des Tango aufgehoben, die Melancholie der Vorstädte von Buenos Aires und Montevideo. Als einziger der weltberühmten Bandoneonvirtuosen lebt Luis di Matteo noch heute in Südamerika. [...] :dacapo: freut sich sehr, Ihnen diesen Musiker mit neuem Programm im Ambiente des Übersee-Museums präsentieren zu können. Bitte machen Sie diesmal von der Möglichkeit des Vorverkaufes Gebrauch. Karten gibt es Dienstags bis Sonntags zwischen 10 und 18 h am Tresen des Übersee-Museums, im Vorverkauf d. Ticketservicecenters oder per web-order (s.u.).

     

     

    Übersee-Museum, Bahnhofsplatz

    Sonntag 15. Nov. 20 h

    Juan José Chuquisengo

    piano adventures XVII

     

    Der Pianist Juan José Chuquisengo wurde in Lima geboren, studierte, nachdem man eher zufällig auf die phänomenale Begabung des Siebenjährigen aufmerksam geworden war, am dortigen Konservatorium Musik, wechselte nach dem Abitur nach Europa und besuchte ab 1984 die Meisterklasse bei K. Schilde in München, studierte bei Maurizio Pollini und Jorge Bolet, gab zahlreiche Konzerte und kam schließlich zu Cergiu Celibidache, dessen radikale Musikästhetik ihn »eine ganz neue Dimension von Musik« erfahren ließ. Entsprechend der Musikauffassung des »Celi-Kreises« kümmerte sich Chuquisengo wenig um eigene Konzerte und öffentliche Wirkung, um sich im Austausch mit den Freuden und dem Meister musikalisch zu verfeinern. Erst seit etwa fünf Jahren ist der Pianist nach einem einjährigen Stipendium in den USA wieder im Konzertleben aktiv. Chuquisengo wird sich an seinem piano adventures-Abend neben südamerikanischen Kompositionen von Roberto Carpio, Enrique Iturriaga und Alberto Ginastera auf ein Klavierabenteuer der Sonderklasse einlassen: Er spielt im zweiten Teil eine eigene Fassung von Maurice Ravels La Valse, auf seiner hervorragenden CD mit Werken von Bach, Chopin und Brahms sicher ein Höhepunkt.

     

    Juan José Chuquisengo - Klavier

    In Kooperation mit dem Instituto Cervantes


    Information: DACAPO gem. Konzertgesellschaft mbH,
    Ingo Ahmels, Niederblockland 17, D-28357 Bremen, 0421 500 444
    Email:ahmels@zfn.uni-bremen.de