Chaos - Mathematik - Künste

DACAPO präsentierte in Kooperation mit dem CeVis, der bremer shakespeare company und der Beethoven-Gesellschaft Bremen im Mai 1995 eine spartenübergreifende Veranstaltungstrilogie im Theater am Leibnizplatz und im Übersee-Museum. Die drei Veranstaltungen stellten den Versuch eines zwanglosen Austausches zwischen Mathematik, Musik und Schauspielerei dar.

Am ersten Abend erläuterte der Bremer Mathematiker und Chaosforscher Heinz Otto Peitgen in einer mehr als dreistündigen Multimedia-Show, was mathematisch »Selbstähnlichkeit« bedeutet. Caroline Kirchhoffs in den Vortrag integrierter Klavier- und Cembaloabend leistete den klanglicher Transfer der von Peitgen eingeführten Kategorien. Thematische Verdichtungsprozesse bei Bach, harmonische und rhythmische Texturen Debussys sowie Mandelbrot- und Juliamengen bei Ligeti konnten vor die Sinne geführt werden. Zusätzlich spielten Schauspieler von der Shakespeare-Company noch kleine Shakespeare-Szenen.

Den zweiten Abend, nunmehr im Übersee-Museum, gestaltete der in Kalkutta gebürtige Kölner Komponist und Computerspezialist Klarenz Barlow. In seinem quicklebendigen und verblüffenden Portätabend mit eigenen Kompositionen kam u.a. der computergestützte Bösendorfer-Konzertflügel 290 SE zum Einsatz, ein »ganz normaler« Konzertflügel mit zusätzlichen Wiedergabe-, Aufzeichnungs- und Programmiermöglichkeiten, die ein extrem genaues integrales System aus Lichtschranken, Magneten und entsprechender Software (IBM) ermöglicht. Barlow hatte u.a. die Programmiersprache AUTOBUSK entwickelt, die er äußerst kreativ in verschiedenen Live-Konstellationen einsetzte. Spielerische Ironie und Selbstironie lagen dem Komponisten bei aller Seriosität seines Ansatzes nicht fern.

Im Anschluß an Barlows Konzert mit spannenden Rückbezügen auf Mozarts Musikalisches Würfelspiel und Beethovens Sonate op. 111 trat Barlow in ein vom Hamburger Klavierprofessor Volker Banfield seltsam dissonant geführtes Podiumsgespräch ein.

Der dritte Abend schließlich steht mit Ludwig van Beethoven im Zeichen eines Komponisten des 19. Jahrhunderts, dessen Werk ästhetisch wie kompositionstechnisch weit in die Jetztzeit hineinragt. Der Wiener Pianist und Beethoven-Spezialist Stephan Möller stellte u.a. Beethovens letzte Klavierkomposition, die vierhändige Große Fuge op.134 in einer besonderen Version für nur einen Spieler mit besagtem computergestütztem Konzertflügel vor, die bereits 1989 bei DACAPO welturaufgeführt wurde. Auch stieg Möller als Live-Pianist ein in Barlows in Echtzeit vom Rechner hergestellte Meta-Version über den Anfang der Sonate op. 111. Vor der Kulisse des melanesischen Hüttendorfes im Bühnenbereich des Übersee-Museums wirkte die Musik anrührend. Auch Jens-Peter Ostendorfs Werk »Van Beethoven« für den computergestützten Flügel und einen Spieler an einem zweiten Flügel kam zur Aufführung. Den Abschluß des Projektes bildete ein zweites, versöhnlicheres Gesprächspodium, diesmal moderiert von Heinz-Otto Peitgen.