Klanginstallationen


Pegasos


Die DACAPO-Klangskulptur Pegasos von Ingo Ahmels befindet sich vor den Weserterrassen. Hans-Joachim Manske, Leiter des Kunstreferats der Bremer Kulturbehörde, beschrieb die Arbeit vor der konzertanten Einweihung im April 1993: Pegasos, das sogenannte Roß der Musen, steht direkt im lauten Straßenraum, zu dem es einerseits gehört, dem gegenüber es sich aber andererseits durch seine Kunstaura ausgrenzt. Unter ihm und in seiner direkten Nähe sind ununterbrochen leise Töne zu hören, die Piano-Solofassung des für die Skulptur komponierten Stückes »***«. Das Video-Auge des Pegasos leitet seinen Blick auf den vorbeiströmenden Verkehr in das Gebäudeinnere. Doch die auf den Osterdeich gerichtete Kamera und die in verschiedenen Räumen aufgestellten Monitore arbeiten nicht in der Art des Orwellschen Großen Bruders, sondern zeigen stumm den fließenden Straßenverkehr, nachts auf hellerem, tagsüber auf dunklerem Grund, in wetterabhängigen Farbbrechungen. Das vielseitige Flügelroß Pegasos, das in seiner langen Agonie durch die bleiernen Fluten des Meeres aus dem salzigen Wasser der Weser kam, steht zwischen zwei Flüssen: dem Fluß des Verkehrs und dem Weserfluß. Es registriert die bedrohte Umwelt, aber wendet sich nicht ab und ist Medium zwischen Kunst und der Außenwelt, die keiner getrennten, sondern letztlich ein und derselben Sphäre angehören: Pegasos träumt nicht linear, sondern total.

Wir haben vom östlichen Denken gelernt, daß jene göttlichen Einflüsse tatsächlich nichts anderes sind als die Umwelt, in der wir uns befinden. Ein nüchterner und ruhiger Geist ist ein solcher, bei dem das Ich das Fließen jener Dinge nicht behindert, die durch unsere Sinne in uns herein- und durch unsere Träume in uns heraufkommen. Unsere Aufgabe im Leben ist es, mit dem Leben, das wir leben, ins Fließen zu kommen, und dazu kann Kunst uns verhelfen. Ich denke, daß diese Sätze von John Cage die Idee des Pegasos-Projektes umreißen. Pegasos, ein Sohn des Meeresgottes Poseidon, entsprang dem Kopf der Medusa. Weil die Göttinnen und Götter ihn, den Halbgott, in ihrer Gesellschaft nicht dulden wollten, trieb er ziellos durch die Welt. Jetzt hat er in Bremen seine vorläufige Heimat gefunden. Bereits 1990, im Rahmen des pro-musica-nova-Festivals, flog das audiovisuelle Flügelroß auf einem hohen Kranwagen durch die Stadt und trieb eine Woche lang auf der Weser. Pegasos maß die Kontamination der Weser und übertrug die Geräusche des Wassers als Musik in die vier Aufführungen der Multimedia-Komposition Pegasos'Traum in den Weserterrassen. Nun träumt er auf seiner Säule phantastische Konzerte, in denen alle und alles, die Künstler und das Publikum, das Bühnengeschehen und der reale Aufführungsort, das Stück und die Wirklichkeit auf unbestimmte Weise ineinanderfließen.

Raum der Klänge

Ab Juli 1996 wird im 1. Lichthof des Übersee-Museums der Raum der Klänge zu erleben sein, eine permanente Klanginstallation Ottes, die von DACAPO errichtet und betreut wird. In jeweils etwa fünf Metern Höhe sind an den zwölf gleichmäßig verteilten Säulen Lautsprecher montiert, die über eine kleine, vom Tonmeister Andreas Heintzeler erfundene Klaviatur mit dreizehn Tasten via Zwölfkanal-Verstärkung angesteuert werden können. Der von der Tonquelle (z.B. Band, CD, Mikrophon) ausgehende Klang läßt sich mithilfe der Tastatur räumlich bewegen. Das Spielen einer chromatischen Tonleiter etwa wird den eingespeisten Klang um 330 Grad zirkulieren lassen, ein gegriffener Mehrklang mit Terzabständen ist entsprechend räumlich versetzt aus den Lautsprechern zu hören, und so fort. Hans Otte hat eine Reihe von Klangraum-Klängen bereits vorgefertigt, namentlich einen Dur-Moll-Raum, einen Interferenz-Raum, einen Naturton-Raum, einen Intervallton-Raum, einen Klangtext-Raum, einen Rausch-Raum, einen Wasser-Raum und einen Glocken-Raum. Doch auch andere Personen (Kinder und Erwachsene) dürfen eigene Klänge zur Demonstration mitbringen oder sie im Laufe der Zeit entwickeln. Klangführungen für Gruppen, Schulklassen oder Kurse sind auf Anfrage bei DACAPO zu buchen. Der Raum der Klänge wird auch bei den Vorträgen der Vortragsreihe baSICs in Betrieb genommen.

Klang:
Klang ist.
Ist immer,
allezeit.
Ist immer:
Klang im Raum,
Raumklang,
rundherum,
nach allen Richtungen
und
in mannigfacher Gestalt:
hoch - tief
laut - leise
weit - nahe,
in wechselnden Geschwindigkeiten:
fließend,
kommend, gehend,
gleichzeitig
in Raum von Zeit,
in Klangraumzeit
sich entfaltend,
öffnend, zeigend,
dem,
der sich freigibt,
einläßt
und
ganz gegenwärtig sein will,
um so,
für die Dauer einer Weile,
an den Klängen,
der Wirklichkeit,
teilnehmen zu können.

Hans Otte