»série satie«

Erik Satie (1866-1925) arbeitete bekanntlich mit den namhaftesten Künstlern seiner Zeit (Picasso, Diaghilew, Picabia, Clair, Cocteau etc.) zusammen, doch blieb er stets in lachender Distanz zum geschäftigen, eitlen Alltag der Kunst- und Musikszene. »Sein Leben war ein trauriges Sich-Verlieren und ein fröhliches Sich-Absetzen«, brachte es Dieter Schnebel einmal auf den Punkt.

Saties Kunst wurde bei DACAPO stets Raum gegeben (vgl. den umfangreichen Aufführungskatalog im Register auf S.140). Mit einer Klaviernacht des Rotterdamer Pianisten Reinier van Houdt startete 1994 eine dreiteilige Serie nächtlicher DACAPO-Konzerte, in denen der Musik des Maître d' Honfleur auf besondere Weise gehuldigt wurde; Hörspuren zur Musik seiner geistigen Verwandten sollten gelegt werden, um »Satie« gewissermaßen als Vorläufer für einen bestimmten Umgang mit Klang verstehen zu können. Van Houdt, der u. a. Saties Armen-Messe eindrucksvoll aufführte, stellte Satie in eine Linie mit Hans Otte, Galina Ustvols'kaja, Morton Feldman, Giacinto Scelsi und natürlich John Cage. Die Abbildung zeigt Reinier van Houdts Programm als Mesostichon.

Die Sängerin Beth Griffith und der Pianist Christoph Grund setzten die »série satie« mit dessen Socrate (1919) und der cheap imitation (1969) von John Cage fort. Saties symphonisches Drama Socrate ist ein selten schönes Stück Musik. Textgrundlage bilden drei Dialoge des Plato (Gastmahl, Phaidros, Phaidon), die Sokrates porträtieren, von einem Spaziergang mit ihm und schließlich von seinem Tode berichten. Satie-Verehrer Cage hatte 1969 für eine Tanztheaterproduktion Merce Cunninghams aus Kostengründen eine Zwei-Klaviere-Fassung der Orchesterversion anfertigen wollen, was ihm der Verleger jedoch untersagte. So unterzog Cage die Socrate-Partitur dem vom schon erwähnten chinesischen Orakel I Ching abgeleiteten Zufallsverfahren. Ergebnis war eines der kostbarsten Klaviersolostücke Cage's überhaupt, das über weite Strecken einstimmig ist ( - eine hervorragende CD-Einspielung legte übrigens Herbert Henck bei WERGO vor).

Das Motto des dritten Konzertes der Serie war der Titel des an diesem Abend zur Aufführung gelangten Satie-Werkes Sports et Divertissements - Sport und Vergügen. Innerhalb einer computerdiagestützten One-Man-Show gelang es Willy Daum mit unvergleichlichem Charme, eine wunderbare Aufführungsatmosphäre für Satie herzustellen. Saties skurrile Textinschriften in die Partituren bleiben dem Konzertpublikum gewöhnlich vorenthalten. Daum jedoch gelang es mit Hilfe einer Software, die eigenwilligen Inschriften - eine eigenständige poetische Dimension der Klavierpartituren - synchron zum Klavierspiel sichtbar werden zu lassen, wie Stummfilm-Zwischentitel auf einer neben dem Flügel aufgestellten Großleinwand.

Der mittlerweile in Berlin lebende Pianist, Vokal-Artist, Perkussionist und Multi-Künstler Willy Daum brachte Satie in seinem Serienbeitrag darüber hinaus in ebenso tiefschürfende wie heitere Begegnungen mit den Sprachklang-Stücken des MERZ-Künstlers Kurt Schwitters (1887-1947).